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Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Titel: Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit
Autoren: Hildegund Keul
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Brücken verkörpern sich in Straßen, Wasserleitungen und Stromnetzen, die in die neuen Ballungszentren hineingebaut werden. Brücken materieller und geistiger Art sind immer eine gewagte Sache. Man weiß nicht, was über sie ins eigene Innere hineinkommen wird. Brücken machen verwundbar. Aber nur wenn man diese Verwundbarkeit riskiert, wird die alteingesessene Kernstadt selbst zu einer Arrival City.
    Die Arrival Cities und ihre Auseinandersetzungen mit den Kernstädten – und umgekehrt – sind für eine Theologie, die sich an der weihnachtlichen Geburt orientiert, aufschlussreich und inspirierend. Hier zeigt die Gegenwart, dass Weihnachten keine Utopie ist, die erbauliche, aber wirkungslose Luftschlösser malt. Vielmehr führt Weihnachten Handlungsalternativen vor Augen, die eine konkrete Verortung brauchen und der Verwirklichung harren. Die Arrival Cities erschaffen eine Kultur des Teilens, die also tatsächlich möglich ist und sogar zu einer gesellschaftlichen Strategie heranwachsen kann. Dabei sind die Ankunftsstädte keineswegs christlich, sondern religiös und kulturell von großer Vielfalt. Aber erinnertnicht auch das an die Pluralität jener Menschen, die sich um die Krippe Jesu versammeln?
    Arrival Cities sind zunächst konkrete Orte der Gegenwart, die man in globale Landkarten einzeichnen kann. Zugleich verkörpern sie eine bestimmte Lebenshaltung oder besser gesagt: eine Lebenskunst. Was die Menschen hier tun, eröffnet eine Art zu leben, die heute auch andernorts dringend gebraucht wird. Das macht die Arrival Cities zu signifikanten Orten der Gegenwart. Ist man als Einzelperson, als Staat oder auch als Religionsgemeinschaft bereit, einen Ort der Ankunft zu schaffen, wo fremde Menschen, fremde Perspektiven und fremde Kulturen willkommen sind?
    Im persönlichen Lebensbereich stellt sich die Frage alltäglich, denn wir leben in einer Welt, wo sich permanent alles Mögliche und Unmögliche verändert. Jeden Tag werden wir mit Fremdem konfrontiert, das nicht vor der eigenen Haustür Halt machen will. Wie gehen wir damit um – mit einer Strategie der Ausschließung, die die Schotten dicht macht, die eigenen Ressourcen hortet und das beliebte Wegschauen praktiziert? Man kann das Fremde ausgrenzen, indem man seine Schwächen herausstellt und alle möglichen Gefahren in drastischen Farben ausmalt. Dies ist die Haltung des Ressentiments. Man stellt die Schwächen der Anderen so heraus, dass die eigenen Stärken umso mehr zur Geltung kommen. Oder praktiziert man eine Haltung der Natalität, die neugierig ist auf das kreative Potential des Fremden?
    Das Weihnachtsfest setzt im heutigen Migrationsdiskurs ein Zeichen, das Vertrauen schafft und Hoffnung eröffnet: die Lebensmacht, die aus dem Wagnis der Verwundbarkeit wächst. In die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um Risiken, Sicherheit und Schutz bringt Weihnachten das Wagnis der Hingabe ins Spiel. Sie setzt auf diese andere Lebensmacht, die im Wagnis der Verwundbarkeit entsteht. Mit dieser Macht kommt eine Kategorie ins Spiel, die auch das geschlossene Denken der Kernstadt für alternative Handlungsoptionen zu öffnen vermag. Dies geht nicht ohne Streit und Machtkonflikte darüber ab, wo Selbstschutz nötig und wo Hingabe gefragt ist. Aber auch die Kernstadt kann und muss selbst auf diese Macht aus Verwundbarkeit setzen, die in den Arrival Cities bereits am Werk ist. Auf diesem Weg kann Migration zu einem hoffnungsvollen Zeichen unserer Zeit werden, das auf jene geheimnisvolle Kraft vertraut, die an Weihnachten am Werk ist.
Macht aus Verwundbarkeit – ein gewagtes Unterfangen
    In einer Welt der Gewalt wollen Menschen und Staaten unverwundbar sein. Ein Gott aber, der Kind wird, durchbricht dieses Denken. Mit der Geburt des Kindes in der Krippe weist Weihnachten daher auf eine Handlungsalternative hin: die gewagte Hingabe. Denn auf die Risiken des Lebens und die Wunden der Welt antwortet Gott nicht, indem er in Unverwundbarkeit verharrt. Vielmehr geht er das Wagnis der Verwundbarkeit ein. In einer gewagten Gabe seiner selbst stellt er sich den körperlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Verletzungen des menschlichen Lebens. Er wird Mensch und offenbart sich als schutzbedürftiges Kind. Um leben zu können, braucht dieses Kind den Geburtsschmerz der MutterMaria, den Besuch der armseligen Hirtinnen und Hirten, die Gaben der dahergelaufenen Sterndeuter, den beharrlichen Beistand des sozialen Vaters Josef.
    Jedes Neugeborene führt die
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