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Weg der Träume

Weg der Träume

Titel: Weg der Träume
Autoren: Nicholas Sparks
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hatte.
    Seit sie in New Bern wohnte, gab Sarah sich alle Mühe, nach vorn zu schauen. Das war immer noch ein Kampf, aber lange nicht mehr so schwierig wie zu Beginn. Ihre Eltern unterstützten sie auf ihre Weise - ihr Vater verlor kein Wort über das Vergangene, ihre Mutter schnitt Zeitungsartikel über die neuesten medizinischen Fortschritte auf dem Gebiet der Behandlung von unfruchtbaren Frauen aus - aber wirklich helfen konnte ihr nur ihr Bruder Brian, als er noch nicht an der Universität von North Carolina studierte.
    Wie die meisten Heranwachsenden war er manchmal unnahbar und zurückhaltend, aber er vermochte wunderbar zuzuhören. Immer, wenn Sarah nach Reden zumute war, konnte sie auf ihn zählen, und jetzt vermisste sie ihn. Sie hatten sich stets nahe gestanden - als ältere Schwester hatte sie ihn gewickelt und gefüttert, wann immer ihre Mutter es erlaubte. Als Brian dann in die Schule kam, hatte sie ihm bei den Hausaufgaben geholfen und bei dieser Gelegenheit festgestellt, dass sie Lehrerin werden wollte.
    Diese Entscheidung hatte sie nie bereut. Sarah liebte ihren Beruf, sie liebte die Arbeit mit Kindern. Immer, wenn sie ein neues Klassenzimmer betrat und dreißig kleine Gesichter erwartungsvoll auf sich gerichtet sah, war sie sich dessen bewusst. Am Anfang hatte sie wie die meisten jungen Lehrer idealistische Vorstellungen gehabt, hatte angenommen, dass jedes Kind sich öffnen würde, wenn sie sich nur genug Mühe gab. Leider hatte sie lernen müssen, dass dies unmöglich war. Manche Kinder ließen sie nicht an sich heran, ganz gleich, was sie tat. Das war der schwierigste Teil ihres Berufs, der einzige Teil, der ihr manchmal schlaflose Nächte bereitete. Aber sie gab nie auf.
    Sarah wischte sich den Schweiß von der Stirn und war froh, dass die Luft sich allmählich abkühlte. Die Sonne sank immer tiefer, und die Schatten wurden länger. Als sie an der Feuerwehr vorüberlief, nickten ihr die beiden Feuerwehrleute zu, die auf Gartenstühlen vor der Wache saßen. Sarah lächelte. Soweit sie es beurteilen konnte, würde in dieser Stadt am frühen Abend bestimmt kein Feuer ausbrechen. Sie hatte die beiden jetzt seit vier Monaten jeden Abend zur gleichen Zeit an exakt derselben Stelle sitzen sehen.
    New Bern.
    Ihr Leben war neuerdings von erstaunlicher Einfachheit. Zwar vermisste sie gelegentlich das pulsierende Stadtleben, aber sie musste zugeben, dass ein langsameres Tempo seine Vorteile hatte. In den Sommerferien hatte sie viele Stunden in den Antiquitätengeschäften der Innenstadt gestöbert oder sich die Segelboote an den Docks hinter dem Sheraton angesehen. Selbst jetzt, seit die Schule wieder angefangen hatte, war sie nie in Eile. Sie arbeitete, lief ihre Runde, und abgesehen von Besuchen bei ihren Eltern blieb sie abends meistens allein zu Hause, hörte klassische Musik und überarbeitete den Unterrichtsplan, den sie aus Baltimore mitgebracht hatte.
    Viele Schüler in ihrer neuen Klasse waren in den Kernfächern noch nicht so weit, wie sie sein sollten, deshalb musste Sarah das Tempo drosseln und mehr Übungen einbauen. Das hatte sie nicht überrascht - jede Schule ging anders vor. Am Ende des Jahres würden die meisten Schüler bestimmt aufgeholt haben.
    Es gab allerdings einen, der ihr Sorgen machte. Jonah Ryan.
    Er war ein netter Junge, schüchtern und unauffällig, die Art Kind, die man leicht übersieht. Am ersten Schultag saß er in der letzten Reihe und antwortete höflich, wenn sie ihn ansprach, aber ihre Arbeit in Baltimore hatte sie gelehrt, solchen Kindern besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Manchmal hatte ihre Zurückhaltung nichts zu bedeuten, manchmal jedoch verbargen sie etwas. Als Sarah die erste Hausarbeit einsammelte, nahm sie sich vor, Jonahs besonders genau zu prüfen. Doch das war nicht notwendig gewesen.
    Durch die Hausarbeit - ein kurzer Aufsatz über ein Erlebnis in den Sommerferien - hatte Sarah herausfinden wollen, wie gut die Kinder schreiben konnten. Die meisten Texte enthielten die üblichen Schreibfehler, Gedankensprünge und Schlampigkeiten, aber Jonahs hob sich hervor, weil er die gestellte Aufgabe gar nicht erfüllte. Er hatte seinen Namen oben in die Ecke geschrieben und darunter sich selbst in einem kleinen Ruderboot beim Fischen gezeichnet. Als sie ihn fragte, warum er nichts geschrieben habe, erklärte Jonah, Mrs. Hayes habe ihn immer zeichnen lassen, weil er nicht besonders gut schreiben könne.
    Sofort schrillten die Alarmglocken in Sarahs Kopf. Sie
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