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Way Out

Way Out

Titel: Way Out
Autoren: Lee Child
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knallte er den Kofferraumdeckel zu.
    »Spielen Sie nicht den Helden«, sagte er. »Sie lassen den Wagen stehen, werfen den Schlüssel ein und verschwinden.«
    »Verstanden«, sagte Gregory. Er ging um die Motorhaube herum, setzte sich ans Steuer, ließ den Motor an und fuhr nach Westen davon. Dann bog er nach Süden auf die Ninth Avenue ab. So früh am Morgen rechnete er nicht mit Staus.
     
    Im selben Augenblick bog vier Meilen weiter südlich ein Mann von der Houston Street auf den West Broadway ab. Er war zu Fuß unterwegs. Ein Weißer, zweiundvierzig Jahre alt, einen Meter achtzig groß, fünfundachtzig Kilo schwer. Unter seiner Jeansjacke trug er einen Kapuzenpulli. Er überquerte die Fahrbahn zum westlichen Gehsteig und lief in Richtung Prince Street weiter. Seine Augen waren unaufhörlich in Bewegung. Links, rechts, nah, fern. Erkundung . Auf seine Methode war er mit Recht stolz. Ihm entging nicht viel. Ihm war noch nie viel entgangen. Er stellte sich seinen Blick als schwenkbares Suchscheinwerferpaar vor, das die Dunkelheit durchdrang und alles enthüllte.
    Gegenwärtig enthüllte es: Fünfundvierzig Grad links voraus lag ein Mann in einem Hauseingang. Ein großer Kerl, aber bewegungslos. Seine Gliedmaßen waren im Schlaf erschlafft. Sein auf den Armen ruhender Kopf war auf charakteristische Weise leicht zur Seite geneigt.
    Betrunken? Bewusstlos?
    Wer ist dieser Kerl?
    Der Mann in dem Kapuzenpulli blieb am Fußgängerübergang zur Prince Street stehen. Wartete dort auf Grün, obwohl kaum Verkehr herrschte. Nutzte diese Zeit, um seine Inspektion abzuschließen. Die Kleidung des großen Kerls war schäbig, aber seine Schuhe sahen gut aus. Leder, schwer, solid, handgenäht. Vermutlich aus England. Vermutlich dreihundert Dollar pro Paar. Vielleicht sogar dreihundertfünfzig.
    Jeder einzelne Schuh war ungefähr doppelt so viel wert wie die restliche Kleidung des Mannes.
    Wer ist er also?
    Ein Stadtstreicher, der ein Paar teure Schuhe geklaut hatte? Oder nicht?
    Nicht, dachte der Mann in dem Kapuzenpulli. Er überquerte den West Broadway, obwohl die Fußgängerampel Rot zeigte. Hielt geradewegs auf den Hauseingang zu.
     
    Gregory mogelte sich an einem kleinen Stau in der 42nd Street vorbei und erwischte eine grüne Welle, die ihn bis zur Rückseite des Postamts in der 31st Street trug. Dann veränderten sich die Ampelphasen und mit ihnen sein Glück. Er musste mit dem BMW hinter einem Müllwagen anhalten. Er wartete. Sah auf die Borduhr. Er hatte noch reichlich Zeit.
     
    Einen Schritt nördlich des Hauseingangs blieb der Mann in dem Kapuzenpulli lautlos stehen. Hielt den Atem an. Der vor ihm liegende Kerl schlief weiter. Er stank nicht. Seine Haut war gut, sein Haar sauber. Er war nicht unterernährt.
    Kein Stadtstreicher mit geklauten Schuhen.
    Der Mann in dem Kapuzenpulli lächelte in sich hinein. Dies schien irgendein Arschloch aus einem Millionenloft in Soho zu sein; der Kerl hatte sich amüsieren wollen, etwas zu viel getrunken und es nicht mehr nach Hause geschafft.
    Ein erstklassiges Ziel.
    Er schlurfte einen halben Schritt näher heran. Atmete aus, atmete ein. Richtete seine Suchscheinwerfer auf die Taschen der Chinos, die der Mann trug. Begutachtete sie fachmännisch.
    Treffer!
    In der linken Vordertasche. Die vertraute köstliche Ausbuchtung. Genau 6,66 Zentimeter breit, gut einen Zentimeter hoch, 8,4 Zentimeter lang.
    Zusammengefaltete Geldscheine.
    Damit hatte der Mann in dem Kapuzenpulli reichlich Erfahrung. Er konnte den Ertrag unbesehen abschätzen. Sechs oder sieben knisternd neue Zwanziger aus einem Geldautomaten, mehrere abgegriffene Fünfer und Zehner von Taxifahrten, dazu ein paar verknitterte Eindollarscheine. Gesamtbetrag: hundertdreiundsiebzig Dollar. Das war seine Voraussage. Und mit seinen Voraussagen lag er meistens richtig. Er bezweifelte, dass er enttäuscht werden würde. Aber er war bereit, sich angenehm überraschen zu lassen.
    Er beugte sich nach vorn, streckte einen Arm aus.
    Er benutzte seine Fingerspitzen, um den doppelt gesäumten oberen Taschenrand anzuheben. Damit ein kleiner Tunnel entstand. Dann streckte er seine Hand mit der Handfläche nach unten wieder und schob Zeige- und Mittelfinger leicht wie Federn hinein. Sie bildeten eine Art Schere: Sein Zeigefinger glitt bis zum ersten Gelenk über die zusammengefalteten Scheine, sein Mittelfinger lag unter dem kleinen Packen. Wie eine Pinzette. Mit der Fingerbeere des Mittelfingers übte er durchs Geld hindurch Druck auf den
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