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Watermind

Watermind

Titel: Watermind
Autoren: M.M. Buckner
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als wäre der Walzer nur die Erinnerung an einen Traum gewesen. Kilometer entfernt auf dem See heulten Schiffssirenen.
    »Warum hat es aufgehört?«, fragte sie.
    Max' goldene Augen blitzten auf. »Weil wir jetzt wieder dran sind.«
    Natürlich. Der Watermind wollte eine Antwort. Sie konnte die angespannte Erwartung spüren. Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie antworten sollten.
    »Mach es so«, sagte Max.
    Mit seiner gesunden Hand nahm er ihre Finger und rieb sie über das Wellblechdeck. Unter seiner Anleitung spielte CJ einen schnellen Rhythmus, feuchte Haut auf trockenen Metallwellen. Mit ihrem schwimmenden frottoir kratzten sie einen subtilen Refrain mit prägnanter Überleitung.
    Von ihnen unbemerkt sublimierte die oberste Eisschicht zu einem feinen glitzernden Nebel. Als CJ es sah, hielt sie den Atem an. Die Wolke aus winzigsten Eiskristallen hielt eine lockere molekulare Verbindung und fing das Sonnenlicht in brillanten kleinen Funken ein. Wie geschliffene Diamanten. Wie Mikrochips. Sie drehte sich auf den Rücken, um zu beobachten, wie der Nebel vor dem wolkenlosen Himmel aufstieg.
    » Bèl .« Max bewegte die Hand, und fraktale Muster wirbelten durch seine Finger.
    Dann erzeugte der Nebel zu ihrem überwältigenden Entzücken einen Fächer aus gebrochenen Farben. Die Erscheinung aus Licht und Wasser schimmerte über dem Sumpf. Sechs deutlich getrennte Prismenbänder. Der Regenbogen verdoppelte sich, verdreifachte sich.
    »Es hat uns gehört«, flüsterte sie erneut.
    » Oui . Es macht für uns ein Gemälde.«
    »Ein Gemälde aus Wasser.« Sie grinste über Max' Interpretation.
    Der Eisnebel wurde dichter. Daunenweiß, in winzigen Blitzen funkelnd, schwebte er über dem gefrorenen Sumpf und filterte das Sonnenlicht. Zwischen festem Eis und eisigem Nebel gefangen, fühlte sich CJ in ein Winterwunderland versetzt. Etwas fedrig Leichtes und Feuchtes kitzelte ihre Wimpern. Dann küsste eine zweite feuchte Feder ihre Wange. Sie streckte die Hand aus und fing eine ein.
    »Schneeflocken!« Max lachte. »Die ersten, die ich in meinem Leben sehe.«
    Er legte sich neben sie, als die Kristallgespinste durch die Luft spielten und sich zu Schleiern formierten, die viel zu regelmäßig waren, um Zufall sein zu können.
    »Sie bewegen sich entlang der Kraftlinien des Feldes«, sagte sie, während Max eine Schneeflocke mit der Zunge auffing.
    Bald verblasste der Regenbogen, und der Nebel löste sich auf. Die Rückstände rieselten auf das Eis und verhärteten zu einer glatten Glasur. Wieder strahlte der Himmel in makellosem Blau, und die Sonne von Louisiana versengte ihre ungeschützte Haut. Das Sumpfboot bewegte sich, neigte sich und schwamm dann wieder frei in der schnell schmelzenden Emulsion. Nachdem es sich erneut verflüssigt hatte, setzte das Kolloid den Weg zum Lake Pontchartrain fort.
    »Es hat uns gehört«, flüsterte CJ. »Es weiß, dass wir hier sind.«
    Max verstärkte den Griff um ihre Hand. »Wir müssen uns mittreiben lassen.«

109
    Sonntag, 20. März, 14.48 Uhr
    » Madre de Cristo . Dieses dumme Mädchen!« Roman holperte über die Zugangsstraße, wich parkenden Autos aus und schlitterte durch den Matsch. Er hatte Michael Creques Pritschenwagen beschlagnahmt, und der schwerfällige Allradantrieb machte ihm bei jeder Kurve zu schaffen. Das Ding fuhr sich wie ein Panzer.
    Er steuerte näher an den tosenden Strom heran. Als er Reilly und Max Pottevents auf dem Sumpfboot erblickte, entfuhr ihm ein Seufzer der Erleichterung. Er kämpfte sich die Böschung hinunter, durch Sträucher und Weiden. Seichte Gräben packten seine Reifen, und Schlammlöcher versuchten ihn festzuhalten. Als Matsch gegen seine Windschutzscheibe spritzte, schaltete er die Wischblätter ein. Er konnte gerade noch CJs rote Windjacke in der Ferne erkennen, die Jacke, die er ihr vor wenigen Tagen geliehen hatte.
    Einhundert Meter von seinem Laster entfernt strömte das Kolloid flussabwärts und folgte dem Weg der Schwerkraft. Jetzt war es nicht mehr silbrig, sondern hatte wieder das rostige, moosige, bräunliche Schwarz von Sumpfwasser angenommen. Aber Roman wusste, dass der violador keine Wesensveränderung durchgemacht hatte. Er durchschaute die Verkleidung seines Widersachers.
    CJ Reilly hatte die Wahrheit schon vor ihm erkannt. Das Kolloid konnte denken und planen. Wie ein übles Gebräu aus Flussmüll ein intelligentes Computernetzwerk hervorgebracht haben sollte, konnte er immer noch nicht begreifen. Die Funktionsweise war viel zu
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