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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Autoren: Sanbine Czerny
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der Kultusministerkonferenz (KMK) für die Notengebung spielt sich aber überall in Deutschland prinzipiell das Gleiche ab. Die Ausführungen in diesem Buch sind lediglich deshalb auf Bayern bezogen, weil ich eben hier an der Schule arbeite.
    Ich kann mich noch erinnern, wie damals in einer Lehrerkonferenz eher in einem Nebensatz darauf hingewiesen wurde, dass man ab jetzt nicht mehr „Lernzielkontrolle“, sondern „Probe“ auf die Testblätter zu schreiben habe. Welchen gravierenden inhaltlichen Unterschied diese „Umformulierung“ brachte, erfuhr ich erst auf einer Fortbildung: Eine Lernzielkontrolle prüft, ob Kinder ein Lernziel erreicht haben, ob sie also das, was im Unterricht behandelt wurde, verstanden haben. Das konnten durchaus auch schwierige Aufgaben sein oder auch solche, bei denen die Kinder gewisse selbstständige Denkprozesse durchführen mussten. Das erhoffte und erwartete Ergebnis blieb aber, dass möglichst alle Kinder alle Aufgaben
lösen konnten und damit zeigten, dass sie die erarbeiteten Lernziele erreicht und die Inhalte verstanden hatten. Bei einer Lernzielkontrolle konnte ich deshalb gut ablesen, welches Kind tatsächlich noch Schwierigkeiten hatte und welches Kind besondere Hilfe benötigte. Auch für mich persönlich war das Ergebnis eine wichtige Rückmeldung: Ich erfuhr so, ob ich meinen Unterricht erfolgreich gestaltet hatte oder inwieweit ich mein Vorgehen verändern musste.
    In der Regel beherrschten fast alle Kinder die Inhalte, hatten sich die geübten und angestrebten Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben und freuten sich über das positive Ergebnis in Form voller Punktzahl. Erfahrungsgemäß gab es maximal ein oder zwei Kinder, die relevante Fehler gemacht hatten und denen ein paar Punkte fehlten. Doch aufgrund der Aufgabenstellung war es möglich, die Ursache schnell zu erkennen und die Lücken daraufhin rasch zu schließen.
    Ganz anders bei einer Probe. Sie muss bestimmten anderen Kriterien genügen. Sie soll die Vorgaben der Kultusministerkonferenz für die Benotung von Schülerleistungen umsetzen, die diese für alle Bundesländer beschlossen hat. Diese legen fest, dass ein Schüler, dessen Leistung den Anforderungen entspricht, die Note „Vier“ erhält. Wer kleinere, aber behebbare Mängel in seinen Kenntnissen aufweist, erhält die Note „Fünf“. Die Note „Sechs“ wird gegeben, wenn nicht mehr davon auszugehen ist, dass ein Schüler in einem überschaubaren Zeitraum seine Defizite ausgleichen kann. Wer eine bessere Note als eine Vier erreichen möchte, dessen Leistung muss die Anforderungen entsprechend besser erfüllen, für eine Eins gar „in besonderem Maße“ (siehe auch Informationskapitel „Noten“ ab Seite 285). Uns Lehrern der ersten und zweiten Klassen, die an das Erstellen von Lernzielkontrollen gewöhnt waren, wurde nun nahegelegt, uns an den bereits 1970 veröffentlichten Anforderungsstufen des Deutschen Bildungsrats zu orientieren, der zur Notenvergabe im Sinne der Kultusministerkonferenz, ein System von Schwierigkeitsstufen entworfen hat, um herauszufinden, welche Schülerleistungen die Anforderungen in welchem Maße erfüllen. 1

    Eine Probe muss demnach Aufgaben folgender vier Schwierigkeitsstufen enthalten: Aufgaben der Reproduktion, der Reorganisation, des Transfers und des problemlösenden Denkens. Reproduktionsaufgaben sind Aufgaben, die genau so im Unterricht behandelt worden sind, wie sie auch in der Probe auftauchen. Bei allen weiteren Aufgaben wird in zunehmendem Maße erwartet, dass ein Kind Gelerntes kombiniert, auf Neues überträgt, auch selbstständig schöpferische Leistungen erbringt oder Aufgaben mithilfe selbst entwickelter Strategien löst. Die Reproduktionsaufgaben werden in der Regel als Mindestanforderung angesehen und sollten etwa vierzig Prozent der Aufgaben in einer Probe ausmachen. Schüler, die die entsprechende Anzahl an Punkten in der Probe erzielen konnten, erhalten die Note „Vier“. Um eine Eins oder Zwei zu erhalten, sollen nun alle beziehungsweise fast alle Aufgaben sämtlicher Schwierigkeitsstufen in dieser Probe richtig gelöst werden. Etwas überspitzt formuliert ist also dieselbe Leistung, die bei den Lernzielkontrollen eine Eins war, bei der nun geforderten Probenstellung nur noch eine Vier.
    In der ersten Klasse gibtes weiterhin keine
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