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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
Autoren: Dieter Moor
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machen», wirft die eine ein,
     und ihre Brillengläser blitzen im Widerschein des Feuers, «denn haben sich drei, vier stramme Burschen verabredet zur Nacht,
     dann gab’s ’nen Sack über den Kopf und ordentlich Senge, und denn war wieder Ruhe im Kartong.»
    Als ob der Eingemauerte diese bedrohlichen Erinnerungen gehört hätte, gibt er Gas. Der gelbe Käfer nimmt, Rauchzeichen setzend,
     Fahrt auf, umrundet die Festwiese und verschwindet hinter dem Gebüsch gegenüber der Dorfpfuhle. Kurz erkennt man hinter dem
     Grün noch einmal den blauen Schriftzug: «Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser». Dann ist er verschwunden. Leise hört man
     noch ein paarmal pröck, pröck, pröck, pröck, dann verweht auch das.

|280| Glatzenalarm
    «Na, mein Kleener, brauchste Verstärkung? Tust hier so ganz alleene sitzen mit die Schönen von Amerika.» Mit schwerem Seufzer
     lässt sich Teddy neben mir nieder. Die Bank biegt sich unter seinem Gewicht und   … hält. Gute Qualität! «Wie findeste denn jetzt unser Amerika, so nach dem zweiten Winter, wo du hier bist? Haste Schnauze
     voll oder kannste’s aushalten bei uns?»
    Da ist es wieder, dieses einfach geradezu Direkte. Kein Rumstochern in Befindlichkeiten, keine plump getarnten Hintenherumfragen.
     Wenn ein Amerikaner wissen will, wie es ist, fragt er: Wie ist es? Fertig. Der kleine Schweizer lugt alarmiert unter seiner
     Fahne hervor, seinem weißen Pluszeichen auf rotem Grund, und zischt: «Jetzt aufpassen, was du sagst. Ja nicht etwa ins Schwärmen
     kommen, hä, das könnte schmierig wirken. Und auf gar keinen Fall Kritik üben, das könnte überheblich wirken, hä!»
    «Teddy», mach ich einen auf umständlich, «darf ich auf ’ne ehrliche, direkte Frage ’ne ehrliche direkte Antwort geben? Kannst
     du die Wahrheit verkraften?»
    «Ich verkrafte alles, wenn du’s meinen tust, wie du’s sagst.»
    |281| «Amerika ist überhaupt nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich hab von einem Dorf geträumt, in dem ich irgendwie irgendwann
     akzeptiert werde, ohne mich allzu sehr verbiegen zu müssen. Dann hatte ich gehofft, dass hier nicht jede Kleinigkeit und jeder
     Pups, den einer macht, gleich gegen ihn verwendet wird. Ein Dorf, in dem ein Minimum an gegenseitiger Hilfsbereitschaft möglich
     ist. Und wo der gegenseitige Respekt noch nicht ganz unter dem Müllberg aus Neid und Kleinkariertheit erstickt wurde.»
    «Da haste dir aber wat ganz schön Dolles vorgestellt   …»
    «Und ich hab mir außerdem gewünscht, dass es vielleicht ein schönes Dorf sein könnte, für das seine Bewohner wenigstens ein
     bisschen Sorge tragen, weil es
ihr
Dorf ist, weil sie es ja hier ‹aushalten› müssen, wie du sagst.» Mein Gott, denke ich, mit ein wenig Bier intus könnte ich
     jederzeit Prediger werden.
    «Mein Gott», sagt Teddy, «du solltest Pfarrer werden. Und nu biste hier bei uns gelandet, in Amerika. Und nix ist so, wie
     de dir das ausgedacht hast in deinem Kopp, wa?»
    «Nee, alles gar nicht so, wie ich mir das ausgedacht habe.»
    «Scheiße aber auch.»
    «Gar nicht, Teddy. Das ist super!»
    «Wie jetze?»
    «Amerika ist viel besser, als ich es mir in meinem Kopf hätte ausmalen können. Ihr seid nicht nur hilfsbereit, ihr helft tatsächlich,
     wenn Hilfe nottut. Ihr respektiert einander so sehr, dass ihr euch auch vor einem klaren Wort nicht fürchtet. Ihr haltet zusammen.
     Amerika ist so ein wunderschöner Ort, weil ihr ihn in Wahrheit klammheimlich liebt, ihr Amerikaner.»
    «Wer, wir?»
    «Ja, ihr!»
    «Und det findest du gut? Das wir det Nest mögen?»
    «Klar.»
    |282| «So wat Bescheuertes hab ich noch nie gehört, ohne Scheiß!»
    «Schon gut, Teddy, mach nur, zieh ruhig deine ‹Icke bin een harter Preuße›-Show ab. Ich weiß, dass du weißt, wie gut es hier
     zu leben ist. Sonja und ich haben das nun auch geschnallt. Und können uns nicht mehr vorstellen, woanders zu sein. Uns habt
     ihr jedenfalls bis auf Weiteres an der Backe.»
    «Ach, du grüne Neune», stöhnt Teddy.
    Dann nimmt er einen tiefen Schluck aus seiner Bierflasche, knallt sie auf den Tisch und stemmt die Fäuste in die Flanken.
     Schaut mich frontal an. «Kommst hier an aus der Schweiz, wa, und jetzt tust du da rumsalbadern von wegen hier ist es schön,
     Dieter, wa? In Amerika.»
    «Jupp», mach ich und erwidere seinen Blick.
    Teddy sitzt und schaut bewegungslos. Nur sein runder Schädel nickt leise ein paarmal auf und ab. Und jetzt bricht das Lachen
     aus ihm hervor. «Und
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