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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
Autoren: Dieter Moor
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wird aber hier trotzdem Schloss genannt. Und eben
     die ‹Graue Gans›, die gibt’s hier auch. Die Wirtsleute sind total nett, ich frag ihnen gerade Löcher in den Bauch über Amerika.»
    Lachen aus dem Hintergrund. Das musste das Wirtepaar sein.
    «Und weißt du, was direkt gegenüber dem Hof steht?», fuhr Sonja fort.
    «Machst du jetzt einen auf Quizmasterin?», erwiderte ich.
    «Das errätst du nie!»
    «Na, wenn ich es nicht errate, dann sag’s mir halt. Was Schlimmes?»
    «Nein, was Monströses. Aber schön, richtig schön.»
    «Ein holländisches Treibhaus mit Gentomaten?», ließ ich mich nun doch auf die Quizshow ein.
    «Quatsch», tönte es aus dem Hörer, «ich sagte doch, was Schönes.»
    «Ein holländisches Treibhaus mit Biotomaten?»
    «Ich sag doch, du kommst nicht drauf, brauchst gar nicht weiterraten.»
    «Gut, ich rate nicht weiter.»
    Stille am anderen Ende der Leitung.
    «Sonja, bist du noch dran?»
    «Klar.»
    «Verrätst du mir jetzt, was   …»
    |17| «…   ein Pferd.»
    «Ein Pfeeeerd?», echote ich.
    «Ein riesiger Bronzehengst. Auf einem Bronzepodest.»
    «Was, ein Reiterstandbild? Ich bin überwältigt. Napoleon, Friedrich der Große oder gar Erich Mielke?»
    «Nein, ohne Reiter. Einfach nur ein Hengst aus Bronze. Prächtig.»
    «Gehört der Monsterhengst zum Schloss, steht das Haus beim Schloss oder wie?»
    «Nein, das Schloss ist am anderen Ende vom Dorf, der Hengst steht vor der Pfuhle, genau gegenüber vom Haus. Ist das nicht
     wunderbar? Wir sehen direkt auf den Hengst von Amerika!»
    «Äh, ja, wunderbar, ganz wunderbar. So einen bronzenen Hengst hat nicht jeder vor der Hütte   …»
    «Ach, Ditaaa!»
    «Sonja, was ich eigentlich fragen wollte   …»
    Sollte ich sie jetzt wirklich wagen, die alles entscheidende Frage? Die Frage, wie es sich für Sonja anfühlte, dieses Amerika,
     der Hof? Schon zweimal dachten wir, fündig geworden zu sein. Ich war nach Berlin geflogen, wir hatten uns das Fundstück angesehen,
     hatten beratschlagt, gerechnet, Visionen entwickelt. Eines der seltenen gemeinsamen kurzen Wochenenden lang. Dann war ich
     zurückgehetzt, um auf dem Schweizer Hof den Umzug vorzubereiten. Nach ein paar Tagen hatte Sonja angerufen, sie sei noch einmal
     dort gewesen. Sie würde «es nicht spüren», würde «nicht wissen, warum gerade hier».
    Ich zählte dann noch einmal die Gründe auf, zum Donnerwetter: «Wir können es zahlen, es ist nah genug an Berlin, es hat einen
     Stall für die Tiere, es hat ein wenig Land gleich angrenzend, darum!»
    Sonjas Skepsis jedoch blieb beide Male. Ich kannte sie nun schon lange genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte, etwas
     durchdrücken |18| zu wollen
gegen
ihre Intuition. Die wenigen Male, wo wir es dennoch getan hatten, bereuten wir es später bitter. Also hieß es den männlichen
     Aktionismus bremsen und auf die weiblichen Schwingungen vertrauen. Eine Zen-Meister-Übung für mein ungeduldiges Temperament!
    «Bist du noch dran? Du wolltest was fragen», unterbrach Sonja meine Erinnerungen. Ich gab mir einen Ruck.
    «Ja, äh, mein Schatz, wie   … wie fühlt es sich an?»
    «Noooo   … joooo   … sag ich doch.»
    «Wie? Heißt das gut? Fühlt es sich gut an?»
    «Glaub schon.»
    «Sonja!»
    «Ja, fühlt sich gut an!»
    Stille auf beiden Seiten. Atmen. Endlich. Das Ungewisse, die Unsicherheit, der Zweifel hatten ein Ende. Das Leben in einer
     Ehe über 800   Kilometer Distanz, die Hin-und-her-Reiserei, würde vorbei sein. Endlich.
    «Dann kauf!», rief ich.
    «Wann kannst du herfliegen und es dir anschauen?»
    «Du sagst, es fühlt sich gut an, also kauf!»
    «Aber du musst es dir doch zuerst   …»
    «Muss ich nicht, kauf! Dir gefällt es, das reicht. Kauf es!», beschwor ich sie.
    «Aber Ditaaaa!» So nannte sie mich, wenn sie Stress hatte. «Dann bin ich schuld. Was ist, wenn es dir nicht gefällt?»
    Tja, was ist, wenn es mir nicht gefällt   … denke ich jetzt, drei Monate später. Wenn der Kauf doch ein Fehler war. Wie alt muss ich denn noch werden, um vernünftig
     zu agieren, wie alle anderen mündigen Menschen? Man schaut sich Häuser an, bevor man sie kauft! Denkt nach, fährt nochmal
     hin. Wägt ab. Entscheidet mit Bedacht. Aber ich musste ja wieder meiner Ungeduld die Zügel |19| schießenlassen mit meinem «Kauf, kauf, kauf es!». Nun haben wir gekauft, es gibt kein Zurück. Jeder Euro, den wir auftreiben
     konnten (Dank an die Bank), steckt in diesem Hof. Wir haben leichtfertig von
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