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Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Titel: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
Autoren: Dieter Moor
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sie freudig aufgelegt ist), das
     Dorf ist ruhig (Vogelgezwitscher), es handelt sich um kein Schlafdorf, sondern um eines mit lebendiger sozialer Struktur (Dorfwirt),
     es ist ein kleines Dorf (sie sitzt
beim
Dorfwirt und nicht bei
einem
Dorfwirt), es steht nicht im Schatten einer Chipfabrik oder einer Zeppelin-Montagehalle (Sonne im Gesicht), und der Hof, um
     den es geht, ist interessant. Immerhin hat sie ihn angeschaut, ist nicht, wie so viele Male zuvor, sofort wieder gefahren,
     verärgert über die Zeit, die ihr der Makler stahl mit einem Angebot, das mit unseren Suchkriterien und seinen Schilderungen
     so viel gemein hatte wie eine frischgefangene Lachsforelle mit den labbrigen Fischstäbchen von vorgestern.
    Das hörte sich gut an. Bis jetzt.
    «Und?», fragte ich mit belegter Stimme.
    «No ja.» Nichts weiter, nur dieses «No ja», gefolgt von Schmatzgeräuschen. Wahrscheinlich verleibte sie sich gerade ein Stück
     hausgemachten Brandenburger Streuselkuchen ein oder zerkaute einen Wildschweinbraten, hiesige Jagd. Natürlich reine Verzögerungstaktik,
     ihre Mampferei. Sie wollte mich auf die Folter spannen. Und die Tatsache, dass sie mich auf die Folter spannte, bedeutete
     doch, dass sie eine sensationelle Neuigkeit mitzuteilen hatte. Das war ein gutes Zeichen, ein sehr gutes sogar. Ich wurde
     nervös.
    «Was isst du denn gerade?», wollte ich wissen. Bloß nicht anmerken |14| lassen, dass das mit dem Auf-die-Folter-Spannen prächtig funktionierte.
    «’ne Strippe.»
    «Was?»
    «’ne Strippe.» Schmatz, kau, schluck.
    «Telefonstrippe, Hanfseil, Kupferleitung oder was für ’ne Strippe?»
    «’n Brötchen. Die heißen hier Strippen, weißt du?»
    «Warum?»
    «Weiß nicht.»
    Sonja sitzt also bei einem Wirt, der zu Brötchen «Strippen» sagt. Ruhig bleiben.
    «Ach so, ’n Brötchen isst du. Lass es dir schmecken.»
    «Tu ich. Und bei dir, alles gut?»
    «Ja, alles gut, aber was   …»
    «Schön, freut mich. Du mein lieber Maaaaaaaaan, du.»
    «Sonja, du rufst mich doch nicht an, um mir zu erzählen, dass du Strippen isst.»
    «Schmecken aber gut!»
    Es
war
Folter. Sie hätte noch stundenlang smalltalken können, wissend, dass ich danach schmachtete zu erfahren, was nun mit dem besichtigten
     Hof ist.
    «Sonja, was ist mit   …»
    «Hmmm?»
    «Was ist mit dem Hof?»
    «No ja   …»
    «Das sagtest du schon.»
    «Nett.»
    «Wie nett?»
    «Sehr nett.»
    «Und?»
    |15| «Das fragtest du schon.»
    «Sonja!»
    «Ich glaub, der isses.»
    UFF! Preis? Zustand? Lage? Größe? Nebengebäude? Land? Ich ließ ein Trommelfeuer von Fragen auf Sonja niederprasseln, die sie
     wie aus der Pistole geschossen beantwortete. Der Hof bestand aus einem großen zweistöckigen Ziegelsteinhaus, leider nicht
     mehr mit der original Stuckaturfassade, sondern mit grobem Spritzverputz, wie er in der DDR Standard war – keiner weiß so
     recht, warum eigentlich. Aber voll unterkellert, was hier selten zu finden ist bei alten Höfen. Das bedeutete: kein Schimmel,
     gutes Wohnklima, genügend Lagerplatz. Ein großer Keller ist Gold wert! Außerdem ein Stallgebäude, wunderschön in Sichtbackstein-Bauweise,
     die Eselchen und das Pferd könnten sofort darin wohnen. Eine große Scheune, klassische Bauweise, unten Feldsteine, ab drei
     Metern Ziegel. Das Dach marode, müsste neu gemacht werden. Land an den Hof angrenzend.
    «Wie viel?»
    «Die Hofstelle ein halber Hektar plus zweieinhalb Hektar Weide.»
    Wow. Das war gut! 25   000   Quadratmeter, doppelt so viel, wie wir in der Schweiz hatten!
    «Und das Dorf?»
    «Gut, sehr gut», erzählte Sonja. «Eine Dorfpfuhle.»
    Dieses neue Wort kannte ich, Pfuhlen werden in Brandenburg jene Teiche genannt, die früher den Gänsen und Enten der Dorfgemeinschaft
     als Lebensraum dienten, den Kindern als Badeseen und der freiwilligen Feuerwehr als Löschteich. Sonja berichtete, die Pfuhle
     sei umrahmt von der Dorfwiese, dem Anger. Um diesen wiederum würden sich die Häuser gruppieren. Der Hof liege absolut «downtown»,
     mitten im Dorf.
    |16| «Aber wollten wir nicht eher außerhalb, für uns, allein stehend   …?», wandte ich ein.
    «Hintenraus hast du nix außer Feld und Wiese. Der Hof liegt mittendrin und gleichzeitig am Rand!»
    «Ach,
so
klein ist das Dorf?!»
    «Etwa 200   Einwohner, schätze ich. Es gibt einen kleinen Dorfladen für den täglichen Einkauf, und stell dir vor: ein kleines Schloss.
     Also, es sieht eigentlich nicht sehr schlossig aus, eher wie ein Gutshof,
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