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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich
Autoren: Manning Sarra
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wusste, dass du dich nicht wehren würdest.«
    » Und ich war fett«, erinnerte Neve sie.
    » Ach, was. Du warst pummelig, ja, aber nicht richtig fett. Jedenfalls nicht am Anfang.«
    » Ich war immer richtig fett«, sagte Neve scharf, aber das tat zur Abwechslung nichts zur Sache. » Und warum hast du deine Terrorherrschaft wieder aufleben lassen?«
    » Was?«
    » Warum hast du wieder angefangen, mich zu schikanieren?«, fragte Neve leise.
    Charlotte wandte den Blick ab und verzog das Gesicht, als sie sich von der Treppe hochstemmte. » Wir müssen diesen ganzen Dreck hier wegmachen.« Sie spähte auf ihren Hintern, der wie immer in einer Juicy-Couture-Jogginghose steckte. » Ich hab mich ins geschmolzene Eis gesetzt, und…«
    » Ich habe dir eine Frage gestellt, Charlotte.«
    » Ich weiß. Du kannst mitkommen zu mir, wenn du willst.«
    Charlotte ging voran, und Neve folgte ihr, weil ihr nicht viel anderes übrig blieb. Sie war seit dem Umbau noch nie in der Wohnung ihres Bruders gewesen.
    Die Farbgestaltung war freundlich, aber unpersönlich; eine Symphonie in Graubeige und Ecru, Graubraun und Winterweiß. Es wirkte fast so, als wären Charlotte und Douglas gar nie darauf eingestellt gewesen, auf Dauer hier zu wohnen. Als hätten sie das Interieur bewusst neutral gewählt, damit es möglichst vielen potenziellen Käufern gefiel. Der einzige persönliche Gegenstand war das Hochzeitsfoto auf dem Kaminsims. Es zeigte Charlotte und Douglas rechts und links des Elvis-Imitators, der sie in Las Vegas getraut hatte. Neve hatte Charlotte noch nie so glücklich gesehen. Sie strahlte breit lächelnd in die Kamera, Douglas stand mit roter Birne und betretener Miene daneben.
    Charlotte kam mit einer Rolle schwarzer Mülltüten und einem Eimer warmem Seifenwasser ins Wohnzimmer. » Sollen wir den Flur aufräumen gehen?«
    Sie arbeiteten zügig und schweigend, warfen die Lebensmittel, die nicht mehr genießbar waren, in die Mülltüten und stapelten diese neben der Haustür auf. Dann wusch Neve die Ketchupspritzer von den Wänden, während Charlotte das geschmolzene Eis aufwischte.
    Dann kehrten sie zurück in Charlottes Wohnung und tranken bei ihr in der Küche Tee. Charlotte hatte ihren schmutzigen Jogginganzug gegen einen sauberen ausgetauscht und drückte sich eine Packung Tiefkühlerbsen aufs Auge, Neve hatte ihren Zeh verarztet, den Fuß auf einem Stuhl abgelegt und ein Handtuch darüber gebreitet, weil der Anblick ihnen beiden Übelkeit bereitete.
    Es war ein Fortschritt. Gewissermaßen.
    Neve hatte gerade die Hoffnung aufgegeben, je den Rest der Geschichte zu hören, da stellte Charlotte die Tasse ab und sah Neve fest in die Augen.
    » Douglas liebt mich nicht«, sagte sie. » Und ich glaube nicht, dass er es je getan hat. Er hat mich nur geheiratet, um eurem Vater zu beweisen, dass er erwachsen ist.«
    Plötzlich wollte Neve den Rest der Geschichte gar nicht mehr hören. Nicht, wenn sie sich so entwickelte, wie sie es vermutete.
    » Das kann ich mir nicht vorstellen«, widersprach sie matt.
    » Ist aber so.« Charlotte stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab. » Ich war schon mit fünfzehn in ihn verliebt, und ich dachte, wenn ich ihn genug liebe, dann würde er mich irgendwann auch lieben.«
    » Aber so funktioniert das nicht, oder?« Neve dachte an William, an all die Energie, die sie mit ihrer Liebe zu ihm verschwendet hatte. Aber die Liebe traf einen immer unerwartet. Sie tauchte an den ungewöhnlichsten Orten auf, wenn man gar nicht danach suchte.
    » Das kannst du laut sagen.« Charlotte erhob sich und ging zum Tiefkühler, um die Erbsen gegen gefrorene Karotten auszutauschen. Mit dem Rücken zu Neve sagte sie: » Er schläft mit anderen Frauen. Ständig.«
    Neve schloss die Augen. Sie wollte kein Mitleid mit Charlotte empfinden, und sie war sicher, dass Charlotte auf ihr Mitleid gut verzichten konnte, aber sie konnte sich zumindest in sie hineinversetzen. Als Amy vorhin aufgetaucht war, hatte sie sich geärgert und ein wenig hintergangen gefühlt, aber das war nichts verglichen mit der Vorstellung, dass Max mit einer anderen schlief. Was er inzwischen wahrscheinlich bereits mehrfach getan hatte.
    » Das tut mir leid«, sagte sie und meinte es auch so.
    » Das muss es nicht«, erwiderte Charlotte nüchtern und setzte sich wieder hin. » Er trinkt zu viel, und dann kommt er die ganze Nacht nicht nach Hause, und ich sage nichts. Stattdessen brülle ich ihn wegen dämlichen Kleinigkeiten an. Weil ich Angst habe, mit
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