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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich
Autoren: Manning Sarra
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verschämt nach hinten in die Übergrößenabteilung schleichen zu müssen.
    Es war ihr Körper, und sie musste aufhören, so hart mit ihm ins Gericht zu gehen.
    Doch Neve wusste auch, dass er nicht immer so aussehen würde. Kleidergröße40 war und blieb eine Illusion. Sobald sie wieder normal aß und trank, würde sie sich die sechs Kilo, die sie im Rahmen der Kur abgenommen hatte, wieder anfuttern. Sie wartete darauf, von einer Welle der Panik erfasst zu werden, doch die Welle blieb aus. Neve stand noch eine Weile auf ihrer weißen Badematte und starrte ihr Spiegelbild an, und je länger sie das tat, desto normaler kam ihr ihr Anblick vor, und die Vertrautheit nahm ihm die Macht, sie zu lähmen.
    Sie würde anfangen, wieder normal zu essen und wieder Kleidergröße42 tragen, oder vielleicht sogar 44– diese Entscheidung überließ sie ihrem Körper. Dann würde sie Gustav so lange nachstellen, bis er sich bereit erklärte, ein neues Trainingsprogramm für sie auszuarbeiten, damit sie sich auf sichere, vernünftige Weise wieder auf Größe42 hinunterarbeiten und ihr Gewicht halten konnte. Vermutlich würde er sie zwingen, eine eidesstattliche Erklärung zu unterschreiben, in der sie sich verpflichtete, bis an ihr Lebensende nie wieder einen Entschlackungsdrink zu sich zu nehmen.
    Sie bat ihren Körper ein letztes Mal stumm um Verzeihung, dann wickelte sie sich wieder in ihr Badetuch und tappte ins Schlafzimmer. Allmählich dämmerte ihr, dass ihre Fixierung auf das Ziel, in ein Kleid Größe38 zu passen, nur eine weitere Ausrede dafür gewesen war, ihr Leben auf die lange Bank zu schieben, statt es zu leben und das Risiko auf sich zu nehmen, dass sie verletzt wurde.
    Auf den ersten Blick war alles ganz einfach. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Drei Mahlzeiten pro Tag, dazwischen zwei gesunde Snacks und mindestens eine Stunde Sport an fünf oder sechs Tagen die Woche. Worauf sie sich jetzt konzentrieren musste, war ihr Innenleben, weil sie nämlich ganz offensichtlich einen kleinen Dachschaden hatte.
    Aber sie würde die Tatsache, dass die Knäuel in ihren Gehirnwindungen dringend entwirrt werden mussten, nicht als Ausrede vorbringen, um ihr Leben erneut nur auf Sparflamme zu leben. Gleich morgen früh, oder im Laufe des Vormittags, würde sie sich auf den Weg nach Crouch End machen. Zu Max.
    Und bei ihm würde sie bedeutend mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen als bei Gustav.
    Sie würde mit einer inbrünstigen Entschuldigung beginnen und ihn, falls er sich unversöhnlich gab, ausgiebig umschmeicheln, wenn nötigt gefolgt von einem Kniefall. Sollte das alles nichts nützen, so würde sie ihn in die Arme nehmen und ihn so lange küssen, bis er begriffen hatte, dass sie zusammengehörten und dass Pfannkuchenbeziehungen total out waren und dass sie beide bereit waren für eine richtige Beziehung.
    Sie ging nackt ins Bett (denn das gehörte nun einmal zu den Dingen, die man tat, wenn man bereit für eine Beziehung war) und lag eine Weile in der Dunkelheit da, konnte aber nicht einschlafen. Immer wieder schüttelte sie ihr Kissen auf und wälzte sich von einer Seite auf die andere.
    Jetzt, da sie all diese großen, wichtigen Entscheidungen in Bezug auf ihre Zukunft getroffen hatte, wollte sie sie am liebsten gleich in die Tat umsetzen. Der Gedanke an Gustavs teutonischen Zorn war zwar alles andere als verlockend, und bei der Vorstellung, Max in ein paar Stunden einen Besuch abzustatten, brach ihr der kalte Schweiß aus vor Angst, aber schon sein Gesicht zu erblicken, würde so schön sein wie alle jemals erhaltenen Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke zusammengenommen.
    Vor allem aber konnte Neve nicht schlafen, weil sie Hunger hatte. Es fühlte sich so an, als hätte ihr Magen angefangen, sich selbst zu verdauen, was gut sein konnte, denn es war jetzt zwölf Stunden her, seit sie sich ihren Mittags-Shake zu Gemüte geführt hatte, und in ihrer Küche gab es nichts Essbares außer zwei Zitronen und einem Glas Meerrettich.
    Es sprach doch eigentlich nichts dagegen, wenn sie jetzt gleich anfing, sich wieder vernünftig zu ernähren. Sie schlug die Bettdecke zurück. Sie könnte im 24-Stunden-Lebensmittelladen in der Seven Sisters Road einen Laib Vollkornbrot und eine Schachtel Eier kaufen, und wenn es Tomaten gab, konnte sie sich ein Omelette machen.
    Sie zog Slip und BH an, dann griff sie nach ihrem neuen rosaroten Trainingsanzug von Juicy Couture. Um drei Uhr morgens würde sie wohl kaum jemandem begegnen, den sie
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