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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich
Autoren: Manning Sarra
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Schwägerin prüfend. Charlotte war schlank, aber kurvig; allerdings waren ihre Kurven kompakt und schwabbelten nicht bei jedem Schritt. » Aber du wirkst viel dünner als ich.« Sie schüttelte den Kopf. » Also, ehrlich, ich weiß gar nichts mehr. Ich kann nicht sagen, ob ich fett bin oder dünn oder irgendetwas in der Mitte.«
    » Weißt du, was dein Problem ist? Du denkst zu viel nach«, stellte Charlotte fest. » Ich versuche, überhaupt nicht nachzudenken. Und jetzt nimm endlich das blöde Ding.«
    Neve nahm den Jogginganzug entgegen, um des lieben Friedens willen, und außerdem konnte sie es kaum erwarten, ihn Celia vorzuführen.
    Oben in ihrer Wohnung ging sie schnurstracks ins Bad, schälte sich aus den Kleidern und stieg unter die Dusche.
    Es war gar nicht so einfach, auf einem Bein stehend zu duschen und das andere Bein aus der Duschkabine zu strecken, damit der Verband nicht nass wurde. Das heiße Wasser prasselte auf sie nieder und spülte ihre Wellen und ihren Naturlook weg.
    Danach wickelte sie sich ein Handtuch um die Haare und ein Badetuch um den Körper und begann sich halbherzig mit Bodylotion einzucremen. Sie kämmte sich die Haare. Putzte sich die Zähne. Begutachtete die übrigen Pickel im Spiegel. Zum Schluss tupfte sie sich noch etwas Creme auf die Augenpartie, weil Celia immer betonte, wie wichtig es war, Fältchen erst gar nicht entstehen zu lassen.
    Sie wandte sich vom Spiegel ab und wollte das Bad gerade verlassen, doch dann hielt sie inne und drehte sich noch einmal um. Eine ganze Weile stand sie einfach bloß da und betrachtete ihr Spiegelbild. Dann lockerte sie das Badetuch und ließ es zu Boden fallen.
    Oh, Gott, siehst du furchtbar aus!
    Das war ihr erster Gedanke, eine automatische Reaktion auf den Anblick ihres entblößten Körpers. Allerdings konnte sie sich gar nicht erinnern, wann sie sich je nackt betrachtet hatte. Sie stieg immer mit dem Rücken zum Spiegel aus der Dusche und drehte sich erst um, nachdem sie sich in ein Badetuch gewickelt hatte. Und wenn sie zufällig doch einmal einen Blick auf ihr unbekleidetes Alter Ego erhaschte, dann wandte sie sich hastig ab, sodass sie nur ein bisschen schwabbelndes, delliges Fleisch sah.
    Aber heute würde sie sich so lange nackt vor den Spiegel stellen, bis sich all ihre Selbstzweifel, ihr Selbsthass, ihre Komplexe verflüchtigt hatten. Bis sie endlich sah, was alle anderen sahen, wenn sie sie betrachteten.
    Es dauerte eine Weile, bis die Neve von vor drei Jahren, ihr ständiger schattenhafter Begleiter, verblasst war. Und es dauerte noch länger, bis sie es endlich schaffte, ihren Körper als Ganzes zu betrachten, statt sich auf einzelne Stellen zu konzentrieren.
    Eigentlich siehst du gar nicht so übel aus.
    Sie sah aus wie eine Frau, die auf die Hälfte ihres früheren Gewichts geschrumpft war, und die Folgen dieses Kampfes ließen sich nicht verhehlen. Oberschenkel, Arme, Bauch und Po würden nie straff, glatt und muskulös sein. Niemals. Ihre Haut war schlaff und dellig wie eine Salami, ihre Brüste sahen aus wie zwei Luftballons, aus denen die Luft entwich, und ihr gesamter Körper war von Dehnungsstreifen überzogen.
    Je länger sie sich betrachtete, desto mehr Details fielen ihr auf. Als sie sich umdrehte und über ihre Schulter spähte, sah sie ihre Schulterblätter, die Wirbelsäule, zwei Pobacken statt vier wie früher, und wenn sie die Beine anspannte, konnte man die Muskeln in ihren Waden und Oberschenkeln erkennen. Sie hatte eine Wespentaille und schlanke Hand- und Fußgelenke, und wenn sie die Arme über den Kopf hob, wirkte ihr Körper straff und fest.
    Ihr Körper war nicht perfekt, aber sie hatte ihn sich verdient. Nicht nur mit all den Schokoriegeln und Chips und all den Mahlzeiten, die sie bis zum heutigen Tag verdrückt hatte, sondern auch mit den unzähligen Stunden, die sie im Fitnesscenter oder auf ihrem Fahrrad verbracht hatte. Mit den zwei Litern Wasser, die sie täglich getrunken hatte. Mit dem Obst und Gemüse, das sie lieben gelernt hatte, und zwar nicht nur als Garnierung einer Blätterteigpastete. Sie hatte diesen Körper verdient.
    Mit diesem Körper konnte sie beim Yoga einen tadellosen Herabschauenden Hund machen. Sie konnte zum Bus sprinten und passte in einen Kinositz. Sie konnte die Beine überkreuzen und sich in einem überfüllten Café zwischen den Tischen hindurchquetschen. Sie konnte in jedes durchschnittliche Damenmodengeschäft in ihrem Viertel gehen und sich etwas zum Anziehen kaufen, ohne
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