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Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung

Titel: Was scheren mich die Schafe: Unter Neuseeländern. Eine Verwandlung
Autoren: Anke Richter
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Skier. Es ist fast wie Weihnachten, auch wenn der Fumigator nicht ganz wie Väterchen Frost aussieht. Geradezu euphorisch arbeitet er sich emsig in Richtung Krokodil vor. Ein Blick in die trüben Augen aus Glasmurmeln, und sein Urteil steht fest.
    »Das hier nehme ich mit. Es wird fumigiert.«
    Fumigieren bedeutet einnebeln. Mit tödlichen Pestiziden. In anderen Worten: Mein Tier kommt ins Gas. Das muss ich erst mal verdauen.
    »In einer Woche können Sie das gute Stück bei uns abholen. Das kostet 70 Dollar plus Mehrwertsteuer. Sind Sie damit einverstanden?«
    Der Fumigator hält mir ein Formular hin. Ich unterschreibe. Mein Gewissen ist noch in Quarantäne.
                
    Wir haben im nettesten Ort der Welt ein altes Haus gekauft. Baxter renoviert die Küche, denn er ist, wenn er nicht gerade surft, eigentlich Schreiner. Lukas und er teilen sich nicht nur die Wellen, sondern gehen zusammen ins Kino, gucken Rugby und versenken die ein oder andere Billardkugel. Eine Freundschaft, die in Deutschland zwischen Tischler und Nierenklempner vielleicht nie entstanden wäre, weil sich dort jeder nur im eigenen beruflichen Umfeld bewegt. Im egalitären und dünkelfreien Neuseeland gibt es diese Trennung nicht. Was mehr zählt als die gleiche Ausbildung, ist der Lebensstil. Völlig egal, ob du deine Miete mit Bulettenwenden, Bohrmaschinenvertrieb oder Blasenkrebsoperationen ranschaffst – verrat mir lieber, was du sonst noch aus deinem Leben machst: Bist du Segler, Skater, Saxofonspieler?
    Während Baxter rumschraubt, hört er ›Volcano Radio‹, den nichtkommerziellen Sender Lytteltons, auf einem Transistorradio. Seine Werkzeuge liegen im zerbeulten VW -Bus unterm Surfbrett vergraben. Er arbeitet ohne Eile, aber gut, und geht gerne Tauschhandel ein. Lukas kann ihm jedoch kostenlos nur Beschneidung oder Sterilisation anbieten. Für das eine ist Baxter zu alt, für das andere zu jung, also bleibt es beim Bargeld.
    Für Baxter werfe ich gerne die Kaffeemaschine an. Unter den entspannten neuseeländischen Handwerkern ist er der Oberentspannte. Er hat nicht nur für jedes Problem eine praktische Lösung und ein gutes Auge für Form und Farbe, sondern auch einen sicheren Musikgeschmack. Wir plaudern meistens über Indiebands, ob die besten aus Dunedin kommen oder aus Wellington. Ich habe kaum Ahnung, wie sie klingen, aber viel darüber gelesen. Er hat sie alle live gesehen, aber lässt es nicht raushängen. Man versteht sich. Doch heute Morgen ist Baxter verstört. Er knallt das Kofferradio auf die halb fertige Küchenanrichte.
    »Kennst du diesen ›jerk‹?« Jerk kann man wahlweise mit ›Vollidiot‹ oder ›Wichser‹ übersetzen. Was ist bloß mit Baxter los, geschweige denn der vielgepriesenen neuseeländischen Zurückhaltung?
    »Ein Deutscher.« Er spuckt das Wort beinahe aus. »Er ist Bäcker.«
    »Ach, du meinst Jörg?« Kennen wäre übertrieben, auch wenn man, wie alle Auslandsdeutschen, miteinander per Du ist. Mit seinem Vierkornbrot habe ich öfters Oralkontakt. Aber mehr nicht. Jörg Olewski betreibt eine kleine Biobäckerei in der Innenstadt. Da stille ich mein kulinarisches Heimweh nach Laugenbrezeln und Pumpernickel.
    »Jääk, genau!« Der Name ist wirklich ein Zungenbrecher für einen Kiwi. Daher nennt Jörg Olewski sich lieber ›Jägi‹. Aber das scheint nicht das Problem zu sein. Baxter, der sich sonst nie aus der Ruhe bringen lässt, redet sich in Fahrt. Jörg Olewski hat ihn letzte Woche angeheuert, um einen neuen Verkaufstresen und Regale in ›Jägi’s Bakery‹ zu bauen. Alles daran muss komplett ökologisch unbehandelt sein, von der Farbe bis zur Schraube. Jeder Millimeter Material soll auf des Meisters Wunsch hin aufgelistet werden, mit Herstellernachweis. So kenne er das aus Deutschland. Zwei Innenausbaufirmen haben bereits auf halber Strecke hingeschmissen. Kiwis bauen anders und mögen keine Kontrolle. Aber unser geduldiger Freund dachte, er bekäme das hin. Bis heute früh.
    »Jerk hat mich vorhin völlig fertiggemacht.« Baxter greift nach der Kaffeetasse und stößt sie dabei fast um. Adern treten auf seinem muskulösen Arm hervor. »Warum ich ihm nicht gesagt habe, dass ich an einer Stelle einen Tropfen Kleber benutze. Dabei ist das ohne schlicht unmöglich.« Er geht in die Knie und demonstriert mir den Ökoterror. »Da unten hab ich gesessen und Maß genommen, und er hat über mir gemeckert: ›Keine Chemie, kein Gift!‹«
    »Furchtbar.«
    »So wie er mich behandelt hat,
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