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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt
Autoren: David Baddiel
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richtig schätzte. Nach der Diana-Filmsequenz zurück ins Studio, Trommelschlag, Nahaufnahme, Peng! Judys freundliches Lehrerinnengesicht verzieht sich. Bis Dienstag riskierte Vic sogar Wetten, wie oft sie heulen würde.) Zwei Minuten nach Beginn ergießt sich die erste Diana-Sequenz, und für einen Moment vergaß Vic sich, wollte sich zu Emma umdrehen und sagen: »Gott, wie lange müssen wir das noch über uns ergehen lassen?« Aber dann sah er, daß ihre Lippen schon wieder zitterten. Also preßte er statt dessen seinen Mund auf ihre Wange, und sie schmiegte ihr Gesicht dagegen, und dann lief es im Prinzip so ab...

Im Fernsehen
Auf der Couch
Diana heiratet, glücklich, hoffnungsvoll
    Diana auf einem Rundgang mit Charles: die ersten Anzeichen von Spannung
    Diana zeigt Baby William der jubelnden Menge
    Diana allein am Taj Mahal
    Dianas knapper Kußaustausch mit Charles, wendet ihr Gesicht ab, benutzt ihren Kiefer als Schutzschild
    Diana besticht am selben Tag in jenem berüchtigten Kleid ein Bankett, an dem Charles sein erstes offizielles Date mit Camilla hat
    Diana in Alton Towers auf einer Wasserrutschbahn mit den Kindern, lachend, das einzige Bild, auf dem sie völlig natürlich wirkt
    Diana besucht ein Aids-Opfer

    Diana geht in ihrem Bereitschaftspolizeiaufzug durch Landminen. Seltsam, daß keiner der Schreiberlinge auf die Idee kam, darin eine krasse Allegorie ihres Lebens zu sehen
    Diana auf einem Boot mit Dodi, das Meer vom Luxusstrand her in rosa Licht getaucht
    Dianas Gesicht in Nahaufnahme, leicht verschwommen
Vic knöpft Emmas Latzhosen auf, hektisch
    Emma, mit dem Rücken zu ihm, faßt hinter sich und knöpft Vics Hosenlatz auf
    Fellatio
    Fortgesetzte Fellatio

    Fortgesetzte Fellatio + (nach einem ziemlich komplizierten Verrenkungskunststück) Cunnilingus
    Geschlechtsverkehr (täppisch, in Missionarsstellung)
    Geschlechtsverkehr, erfolgreicher von hinten, wobei die linke Armlehne des Sofas gute Dienste leistet
    Emma oben, ein dummer Einfall auf einem Zweisitzer; Vics Gedanken sind nicht bei dem weichen, fleischigen Zugriff ihrer Vagina auf seinen Penis, sondern dabei, wie das Ding am Umkippen zu hindern ist
    Wie zuvor, aber viel zu schnell, jener Punkt im Sex, wo die Begierde einen zu so rasender Schnelligkeit treibt, die die physikalischen Gesetze außer Kraft setzt Orgasmus
    Sie lösen sich voneinander, keuchend, leichte Verlegenheit, Aneinanderkuscheln
    …ihr Ekstasestöhnen in sonderbarer Harmonie mit den Schluchzern von Judy Finnegan.

    Zuerst dachte Vic, er nutze bloß den Kummer eines einzigen Individuums aus, aber dann wurde ihm klar, daß er das Leid der ganzen Nation ausbeutete — und das irritierte sogar einen so gewissenlosen Burschen wie ihn. Unter normalen Umständen hätte sich Emma wahrscheinlich nach ein oder zwei Tagen wieder gefangen, und dann wär’s das vielleicht gewesen. Schließlich war er ja auf dem Rücken dieser besonderen Traurigkeit in ihr Herz geritten, aber (und das war das Gute daran) — sie wollte sie einfach nicht loslassen, diese Traurigkeit. Wie ein Hund, der auf seinem Lieblingsknochen herumkaut und kaut und sich knurrend weigert, ihn fallen zu lassen. Warum sollte sie auch? Denn jedesmal, wenn sie den Fernseher anstellte, sah sie in den zehn Meilen langen Kondolenzschlangen ihre eigene Traurigkeit gespiegelt und zu etwas Erhabenen gemacht. Was für Vic großartig war: Nach einem besonders inspirierten Nachmittag erwog er sogar, selbst loszugehen und sich in einer dieser Schlangen anzustellen, die dort zehn oder zwölf Stunden im leisen Summen des trauernden London standen, nicht um seinen Namen in eins dieser dicken ledergebundenen Kondolenzbücher zu schreiben, die in stillen Kammern aufgeschlagen lagen, sondern danke. »Lieber (Vic wußte nicht, an wen man diese Beileidsbotschaften eigentlich richtete. Earl Spencer? Die königliche Familie? Gott?) To Whom It May Concern- Bravo!«
    Es war wundervoll, in jenen ersten Tagen. Emma mußte sich um Jackson kümmern, Joe ihre Abwesenheit erklären, Blumen nach Kensington Gardens bringen, fand aber trotzdem dauernd Zeit, bei ihm vorbeizukommen, fast so oft, wie seine Begierde es verlangte. All seine Studiojobs waren abgesagt — nur Pianisten mit weichem Anschlag waren offenbar plötzlich gefragt. Vic hatte das komische Gefühl, daß die Stimmung um ihn herum keine Trauer war, sondern eher die eines Nationalfeiertags: Wenn er auf seiner Lambretta 1959 um die Menschentrauben auf den Straßen herumfuhr, kam es ihm vor,
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