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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los
Autoren: Allan Guggenbuehl
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inszenieren sie sich vor den Erwachsenen, damit sie wahrgenommen werden, und um sich eine eigene Identität zu geben. Wenn wir uns mit Jugendgewalt in der Schule befassen, dann müssen wir uns zuerst vom Klischee der »immer gewalttätigeren Jugend« verabschieden. Schulen sind nicht generell ein Hort der Gewalt und auch muss man nicht jederzeit einen Amoklauf befürchten. Bei den Schulen handelt es sich um kontrollierte, überschaubare Institutionen. Die Aktivitäten der jungen Menschen sind geregelt und außerdem wird die Institution Schule von Erwachsenen geleitet. Gewalt kommt in Schulen vor, doch hat sie keineswegs endemische Ausmaße angenommen.
Wichtigste Maßnahme: Präsenz zeigen, wagen Gegenspieler zu sein
    Gewaltprävention muss primär von jenen Personen ausgehen, die für die Schule zuständig sind. Außeninstanzen wie die Polizei oder Präventionsspezialisten können sekundäre Dienste leisten, Interventionen bei Konflikten durchführen oder der Schule beratend zur Seite stehen. Die Hauptverantwortung für die Gewaltprävention tragen jedoch diejenigen Erwachsenen, die tagtäglich mit den Schülern und Schülerinnen zu tun haben, sie kennen und denen das Leben in der Schule vertraut ist. Diese müssen sich aktiv für eine gewaltfreie Schule einsetzen, wenn sie verhindern wollen, dass es in der Schule zu Gewalt kommt.
    Im WC war eine Toilettenschüssel zerbrochen und die Eingangstüre zum Schulhaus klemmte. Ein Teil der Gänge warversprayt worden und an den Kleiderhaken hing nichts; es war nicht daran zu denken, in den Gängen eine Jacke oder Tasche hängen zu lassen, geklaut wurde alles. Die Schulzimmer wirkten ziemlich chaotisch, die Pulte zerkratzt und vertextet. Die neuen Schüler und Schülerinnen hingen lässig herum, als endlich die Lehrer und Lehrerinnen erschienen. Es handelte sich um den ersten Schultag des zehnten Schuljahres einer Schule im schweizerischen Mittelland. In einer Klasse saß der neue Lehrer locker auf seinem Pult. Er trug Turnschuhe, Jeans und stellte sich mit seinem Vornamen vor. Er präsentierte sich als lässiger Kamerad. Mir wurde rasch klar, wieso diese Schule in einem verwahrlosten Zustand war.
    Gewaltausbrüche und Vandalismus sind in einer Schule unter Jugendlichen jederzeit möglich. Da ein Teil der Jugend sich über gezielten Widerstand in die Gesellschaft einbringen und die Grenzen des Systems ausloten will, müssen sich Lehrer und Lehrerinnen als Leitfiguren präsentieren und Verantwortung übernehmen. Es gilt, die negativen Kräfte innerhalb der Schülerschaft zu neutralisieren. Lehrer sollten für die Schüler und Schülerinnen als Bezugspersonen und Autoritäten präsent sein. Wenn Lehrer nicht wahrnehmbar sind, dann drohen die aggressionsbereiten Jugendlichen das Zepter zu übernehmen. Die Schüler müssen darum merken, dass die Erwachsenen sich effektiv um die Schule kümmern, sich aufregen, wenn Korridore verschmutzt sind oder die Fotogalerie in der Eingangshalle veraltet ist. Jugendliche brauchen Erwachsene, die sich für sie interessieren, Zeit für ein gelegentliches Gespräch haben, die es jedoch auch wagen, sich ihnen entgegenzustellen und bei Regelbrüchen zu reagieren. Die Gründe liegen in den spezifischen Eigenarten der Jugendphase.
    Auf der Suche nach sich selbst laborieren junge Menschen an der eigenen Persönlichkeit herum und probieren Verhaltensweisen aus, durch die sie sich von den Erwachsenen abgrenzenkönnen. Sie wählen eine Sprache, Kleidung oder pflegen Bewegungen, mit der sie Distanz zu den Erwachsenen signalisieren. Die Hosen werden weit unter dem Bund getragen, so dass man die Unterhosen sehen kann, natürlich trägt man eine Kappe und als Mädchen bauchfrei. Statt normal zu gehen, schleppt man sich die Korridore entlang und gibt sich passiv. Sie präsentieren sich als coole Gangstas, um sich selber Power zu geben und sich als selbständig zu erleben. Vieles ist nur noch »Scheiße« und als Hauptfreizeitbeschäftigung gibt man »Hängen« und »Chillen« an. Rauchen oder Kiffen wird cool und man wendet sich einem extremen Musikgeschmack zu. Das Verhalten widerspiegelt jedoch nicht die wirkliche Persönlichkeit, sondern es handelt sich größtenteils um eine Inszenierung. Es geht um ein Spiel mit Identitäten. Ziel ist auch, die Erwachsenen zu provozieren, damit diese ihre Rolle als Gegenspieler übernehmen. Man versucht sich in der provokativen Geste, damit die Groofties reagieren und sich aufregen. In der Empörung sehen die
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