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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los
Autoren: Allan Guggenbuehl
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sich die Gemeinde oder das Wohnviertel befassen müssen. Die Dorf- oder Stadtteilprobleme verlagern sich in die Schule. Die Schule wird dann zueinem Austragungsort für Spannungen oder Probleme, mit denen das Dorf, die Stadt oder der Stadtteil zu kämpfen haben.
     
    »Neuzuzügler haben hier nichts zu suchen!«, deklarierte eine Gruppe Jugendlicher und versperrte zwei Kameraden den Zutritt zum Sportplatz. In dieser Schule im Berner Oberland hatten sich zwei Gruppen gebildet: die Alteingesessenen und die fremden Typen. Bei den Alteingesessenen handelte es sich um Jugendliche aus Familien, die bereits seit Generationen im Dorf leben. Die fremden Typen lebten zum Teil erst seit einer oder zwei Generationen im Dorf.
    Vor allem in städtischen Gebieten können sich Gangs bilden. Meistens handelt es sich um lose Gruppierungen ohne klare Hierarchien oder politische Zuordnung. Sie organisieren sich oft um einen Kern von drei oder mehr Jugendlichen, die sich als Clique verstehen. Sie fühlen sich durch ein gemeinsames Interesse, einen gemeinsamen Stil oder eine gemeinsame nationale Zugehörigkeit miteinander verbunden. Man wähnt sich als typischer Seefelder, fühlt sich als Kosovo-Albaner oder als Fan des FC Zürich. Das verbindende Element dient oft nur als Klammer, um einen Gruppegroof aufleben zu lassen. Man rottet sich zusammen, zieht durchs Quartier auf der Suche nach »Zoff« und um seine Markierungen zu hinterlassen. Ein Zeitungskasten wird zertrümmert, ein Auto zerkratzt oder ein Mitglied einer anderen Clique »angefiggt.« Solche Gangs verfolgen oft keine bestimmten Ziele, sondern sie verhalten sich wie Jäger auf der Suche nach Beute, ohne zu wissen, welche. Es herrscht eine Aufbruchsstimmung ins Nirgendwo. Oft kommt es zu aggressiven Aufladungen und Profilierungsversuchen. Man sucht den Kick. Man sucht ein Opfer, um seine Männlichkeit zur Schau zu stellen oder will seinen Mut in einem krassen Vandalenakt beweisen. Solche Jugendgruppen sind auf der Suche nach einem Spannungsfeld und einem Aktionsgebiet, das sie beherrschen können und indem sie den King spielen können. Jugendliche teilen sich in ihren Köpfen das Viertel in verschiedene Herrschaftsgebiete auf. Der Streifen am See gehört den Kariben, der Tiefenbrunnen ist der Versammlungsort der Serben und in der Siedlung dominieren die Italos. Nicht bei allen Gangs handelt es sich um reale Machtgruppen, sondern oft bleibt es bei der Inszenierung. Die Jugendlichen stellen sich vor, dass ein Stadtviertel einer Clique zugeordnet wird. »Jacken ausziehen!« gebot ein Vierzehnjähriger seinen Kumpeln. Wir waren dabei, eine Brücke zu überschreiten, die einen Fluss überquert, der die Stadt Zürich durchschneidet. Ich verstand nicht, was diese Aufforderung bezwecken sollte. Die Jugendlichen zogen ihre Jacken aus, kehrten sie um und zogen sie gleich wieder an. »Das Wort Challenger darf man jenseits der Limmat nicht zeigen! Jenes Gebiet wird von einer anderen Gang beherrscht«, informierte mich der Jugendliche. Auf der Rückseite der Jacken war das Wort »Challenger« aufgedruckt. Anscheinend galt es als Erkennungszeichen ihrer Gang. In den Augen der Jugendlichen setzt man sich Gefahren aus, wenn man mit einem solchen Signet in ein fremdes Bandenterritorium eindringt. Ich sah zwar beim besten Willen keine anderen Jugendlichen, sondern lediglich Passanten, die ihren Einkäufen nachgingen. Aus meiner Sicht wurde das Gebiet am anderen Flussufer von Bankern, Touristen, Familien und Hausfrauen besetzt. In der Vorstellung der Jugendlichen betrat man jedoch feindliches Gebiet. Die »Challengers« hatten dort Attacken einer feindlichen Gang zu fürchten. Solche Aufteilungen der Stadt in Gangterritorien spielen sich oft lediglich in den Köpfen der jungen Menschen ab. In Wirklichkeit ist alles halb so wild. Unabhängig vom effektiven Einflussbereich können Cliquen oder Banden jedoch ihr Herrschaftsgebiet auf die Schule ausweiten. Das Schulterritorium ist für sie eine Möglichkeit, Präsenz zu zeigen. Man kann sich dort als mächtige Gang aufspielen. In etlichen Schulen versuchen die Jugendlichen,ihren Machtanspruch durch Einschüchterungen durchzusetzen. Vor allem neueintretenden Schülern und Schülerinnen muss klar kommuniziert werden, wer der Boss ist.
Unheimliche Eintrittsszenarien
    »Auf den Wechsel in die Sekundarschule müssen wir uns vorbereiten!«, teilten mir die Schüler einer Primarschule eines Außenbezirks von Zürich mit. Die Kinder suchten gegen Ende des
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