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Was ich dich traeumen lasse

Was ich dich traeumen lasse

Titel: Was ich dich traeumen lasse
Autoren: Franziska Moll
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nicht?«
    Â»Mehr nicht.«
    Ich hole aus der Tasche die mitgebrachte Butterbrotdose. »Eine Handvoll reicht. So, dass es nicht auffällt.«
    Ich will hineingreifen. Aber ich kann nicht.
    Â»Vergiss es! Ich pack da nicht rein!«
    Â»Bitte!«
    Â»Never ever.«
    Â»Dann müssen wir schütten.«
    Â»Und wenn alles danebengeht?«
    Â»Wir müssen eben aufpassen.«
    Er hält die Butterbrotdose, ich die Urne.
    Â»Wehe, du schüttest mir was auf die Hand.«
    Â»Was denkst du, was dann passiert? Dass dir das Fleisch von den Knochen fällt?«
    Â»Keine Ahnung. Irgendwie macht man das nicht, was wir hier machen. Das ist Störung der Totenruhe, oder so. Was willst du überhaupt mit der Asche?«
    Â»Ich werde sie fliegen lassen.«
    Â»Von einem Ballon aus. Nummer zehn auf der Liste.«
    Â»Genau.«
    Â»Hast du den Rest auch schon?«
    Â»Das mit dem Sex wird wohl eher auf Selbstbefriedigung rauslaufen.«
    Er lacht. Ich lache auch.
    Â»Und das Gedicht?«
    Â»Noch nicht.«
    Ich schütte. Vorsichtig. Langsam. Es landet nur ein ganz kleines bisschen daneben. Ich puste es von Tims Hand. Er sagt nichts.
    Ich stelle die Urne zurück neben Helmut Karstoff. Ob die beiden jetzt irgendwas verbindet, weil sie hier so nebeneinanderstehen?
    Â»Willst du tschüss sagen oder so was? Soll ich mal draußen warten?«
    Ich schüttele den Kopf.
    Â»Morgen ist das, oder?«
    Â»Ja, morgen früh.«
    Â»Soll ich kommen?«
    Â»Nein. Bitte komm nicht. Versteh mich nicht falsch, aber …«
    Â»Ich war ein Lebensabschnittsgefährte.« Er grinst. »Wenn du jetzt weiter mit mir abhängst, hast du ein komisches Gefühl. So, als wenn du ihn ersetzt. Oder fremdgehst. Auch wenn wir gar nichts machen. Einfach nur, weil ich da bin und er weg.«
    Â»Ja.«
    Â»Dann war’s das jetzt?«
    Â»Schätze schon.«
    Er tippt sich an die Mütze. Eine komische Geste ist das. Aber ich weiß auch nicht, wie es besser gehen soll.
    Â»Danke für alles.«
    Â»Wenn ich mal eine Leiche zu verscharren habe, melde ich mich.«
    Ich winke. Aber er dreht sich nicht mehr um. Die Nacht hat ihn schnell verschluckt. Ich sehe noch, wie sein Feuerzeug aufflammt, weißer Nebel in die Nacht dampft. Dann ist er weg.

Tag 28
    Sie sitzen schon. Isabella in ihrer Mitte. Sie tragen kein Schwarz. So stand es auf der Einladung. Auch ich habe mich daran gehalten. Die Urne steht auf einem Podest. Drum herum ein gigantisches Meer aus Blumen, Kränzen, Gestecken. Die Sonnenblume in meiner Hand kommt mir mit einem Mal schäbig vor. Ich halte mich trotzdem an ihr fest.
    Isabella dreht sich um. Sie winkt. Auch ihre Eltern schauen jetzt zu mir. Auch sie winken. Der Vater rückt einen Stuhl weiter. Neben Isabella ist ein Platz frei. Für mich?
    Als ich mich setze, greift Isabella nach meiner Hand. Jetzt halten wir die Sonnenblume gemeinsam.
    Der Raum hinter uns füllt sich. Verwandte, Freunde, Lehrer. Ich sehe Aron und Susanne. Dornsted. Die ganze Stufe ist gekommen. Sie passen gar nicht alle rein.
    Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. Es ist die Hand meiner Mutter. Sie setzt sich hinter mich.
    Ich kann Isabellas lautloses Schluchzen im Rücken spüren. Die Lehne der Bank leitet das Zucken ihrer Schultern weiter. Ihre Mutter reicht ihr Taschentücher. Nimmt selber eines, um die Tränen in Schach zu halten. Auch von Ricos Vater tropfen Tränen von der Nasenspitze.
    Ein Mann im schwarzen Anzug tritt aus dem Nebenraum. Er hat wohl keine Einladung bekommen. Er muss zum Beerdigungsinstitut gehören. Er betätigt einen Beamer. Fotos von Rico huschen über die aufgestellte Leinwand.
    Er lacht auf allen.
    Sein Vater greift nach Isabellas und meinen verschlungenen Händen. Seine Mutter legt ihre obendrauf. Ein heißer Haufen Hände.
    Der Mann im schwarzen Anzug geht zu einer Musikanlage, drückt einen Knopf.
    Jupiter Jones sind jetzt da. Sie singen dich in den Schlaf. So still.
    So still,
    dass jeder von uns wusste,
    das hier ist für immer,
    für immer und ein Leben,
    und es war so still,
    dass jeder von uns ahnte,
    hierfür gibt’s kein Wort,
    das jemals das Gefühl beschreiben kann.
    So still, dass alle Uhren schwiegen,
    ja, die Zeit kam zum Erliegen,
    so still und so verloren gingst du fort,
    so still und so verloren gingst du fort.
    Ich hab so viel gehört und doch kommt’s niemals bei mir an,
    das ist der Grund,
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