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Was ich dich traeumen lasse

Was ich dich traeumen lasse

Titel: Was ich dich traeumen lasse
Autoren: Franziska Moll
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Menge Schläuche in ihm drinstecken?«
    Ich nicke.
    Â»Kipp mir bloß nicht um. Ich hab gleich Feierabend.«
    Was für ein Arschloch.
    Er drückt die Klinke runter, geht hinein. Ricos Mutter steht am Fußende des Bettes, sie lächelt, als sie mich sieht. Der Vater steht am Fenster, schaut hinaus, dreht sich um, nickt mir zu. Ich sage Hallo.
    Ich sehe eine weiße Bettdecke, unter der sich Füße abzeichnen. Mit jedem Schritt, den ich näher komme, wächst der Ausschnitt, den ich erfasse. Da liegen Hände auf der Decke. Im Handrücken steckt eine Infusionsnadel, verpflastert. An der Seite des Bettes baumelt ein Plastiksack mit gelber Flüssigkeit. Ein Schlauch führt unter die Bettdecke. Dahin. In seinen Penis. Die gelbe Flüssigkeit ist Urin. An einem Galgen hängen drei Infusionsflaschen. Ich muss fragen, was darin ist. Später. Im Mund steckt ein Endotrachealtubus. Kurz Tubus genannt. Ein Hilfsmittel zur Sicherung der Atemwege im Bereich der Anästhesie, der Notfallmedizin und der Langzeitbeatmung, der mittels einer endotrachealen Intubation angelegt wird.
    Ich weiß alles.
    Ich habe alles gelesen.
    Ich habe nicht geschlafen.
    Ich bin nicht überrascht.
    Ich kippe nicht um.
    Â»Elena.« Ricos Mutter legt die Hand auf meine Schulter, für einen winzigen Moment, dann zieht sie sie weg und reibt sie mit der anderen.
    Â»Keine Veränderung?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Â»Elena«, sagt sie wieder. »Wir müssen Isabella vom Flughafen abholen. Ich weiß, es ist nicht richtig, aber können wir dich mit ihm alleine lassen?«
    .Ich hätte nichts dagegen, immer mit dir alleine zu sein.
    .Wir würden uns auf die Nerven gehen. Stell dir vor, du wärst die Einzige, der ich Witze erzählen könnte. Du würdest sie alle abkriegen.
    .Das wäre mir egal. Wenn nur wir auf der Welt wären, wäre alles einfacher. Überschaubarer. Du reichst mir. Aber ich dir offensichtlich nicht.
    .Das habe ich nicht gesagt.
    .Hast du doch.
    .Vor wem sollte ich denn mit dir angeben, wenn wir ganz alleine auf der Welt wären. Wem von dir vorschwärmen. Mit wem über dich herziehen.
    .Du Arsch.
    .Siehst du. Diese seelische Grausamkeit zum Beispiel. Das muss ich doch jemandem erzählen.
    .Arsch!
    .Ich dich auch. Komm her.
    Ich nicke.
    Â»Bleiben Sie noch hier?«, fragt sie den Pfleger.
    Er grinst. »Klar. Wir machen einen flotten Dreier.«
    Sie scheint ihn gar nicht zu hören. »Kraft!«, flüstert sie mir zu. »Wir müssen an einem Strang ziehen. Für Rico.«
    Â»Ja.«
    Sie küsst Rico auf die Stirn. Sein Vater küsst ihn auf die Stirn. Sie streicht die Bettdecke glatt. Er rückt am Nachttisch. Dann gehen sie zur Tür hinaus.
    Erst als sie weg sind, höre ich das Piepen, das mechanische Stöhnen, das Rauschen der Geräte, die um das Bett herumstehen.
    Da liegt er.
    Er liegt da.
    Er.
    Â»Kannst du uns bitte alleine lassen!«
    Â»Kein Geleitschutz?«
    Â»Geh einfach.«
    Â»Aber treibt es nicht zu wild.«
    Er findet sich lustig. Ich finde ihn zum Kotzen.
    Â»Ich heiße übrigens Tim«, sagt er.
    Das ist mir so was von egal.
    * * *
    Weißt du noch, die Kellnerin stellte die Stühle hoch. Dann lehnte sie am Tresen und starrte zu uns herüber. Wenig begeistert. »Die hat Feierabend«, sagte ich.
    Â»Ich will aber nicht gehen«, sagtest du. »Und das geht auch gar nicht. Wir kleben aneinander. Hier, an den Oberschenkeln. Und da, an den Schultern. Wenn wir aufstehen, dann reißt es. Und das tut verdammt weh.«
    Ich ahnte nicht, dass du recht hattest. Es tat weh. So, wie wenn eine trockene Zigarette an der Lippe klebt und ein dünnes Häutchen mit abreißt. Du nahmst schnell meine Hand. Da war es besser.
    Erinnerst du dich, du wolltest mich auch nicht loslassen, als du dein Portemonnaie aus der Hosentasche holen musstest. »Nehmen Sie sich raus, was Sie brauchen, und noch fünf Euro Trinkgeld«, sagtest du zu der Bedienung. Sie hat nicht verstanden. »Na gut, zehn Euro.« Du deutetest auf unsere verschlungenen Hände. »Sehen Sie denn nicht, dass wir siamesische Zwillinge sind?« Sie fand dich nicht lustig. Aber ich. Du weißt das nicht, aber ich dachte immerzu das eine: Ich habe noch nie einen so lustigen Menschen kennengelernt. Einen, der wirklich lustig ist. Nicht nur so tut. Bei dem es von innen kommt. Weil innen alles hell ist.
    Wir konnten unsere
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