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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Autoren: Claus Beling
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klugem Geschäftssinn, enorm fleißig, schweigend und sparsam« – diese Beschreibung des Historikers G. R. Balleine, der ein enger Freund seines Vaters gewesen war, traf nach Willinghams Erfahrung immer noch zu.
    Nicht gerade gut gelaunt saß er unter dem weißen Sonnenschirm auf seiner gepflasterten Terrasse, blätterte stirnrunzelnd die Zeitungen durch und frühstückte dabei. Selbst der schöne Blick auf den kleinen Park und die weißen Villen unterhalb seines Grundstücks konnte ihn heute nicht milde stimmen. Kein Wunder, dass sich seine Frau schon sehr früh zum Golfspielen aufgemacht hatte.
    Nein, so hatte er sich seine neue Freiheit vom Richteramt nicht vorgestellt.
    Die Verhöre nach seinem Leichenfund waren sehr langwierig gewesen. Doch er hatte sie geduldig ertragen, damit ihm später keiner nachsagen konnte, er hätte die Schlafmützen von der Polizei nicht ausreichend unterstützt. Was ihm dagegen zunehmend auf die Nerven ging, war der Ansturm der Journalisten. Freundlicherweise hatte Gwyneth Trollop es in alter Verbundenheit übernommen, die zahlreichen Telefoninterviews zu koordinieren und ihm allzu dumme Fragen vom Hals zu halten.
    Um sich etwas abzulenken und den Kopf frei zu bekommen, hatte er heute eigentlich gleich nach dem Frühstück ausreiten wollen. Sein Pferd stand ganz in der Nähe im Reitstall von Frank Guiton, einem jungen, smarten Züchter, den der Richter außerordentlich schätzte. Guiton war nicht nur ein ausgezeichneter Pferdekenner, er besaß auch glänzende Kontakte zur Rennbahn von Windsor. Schon manches Mal hatte Willingham dort über ihn Karten für beste Logenplätze erhalten.
    Doch mit dem geplanten Ausritt wurde es heute nichts. Vor einer halben Stunde hatte ihn Guiton aufgeregt angerufen. Über Nacht war eine seiner wertvollsten Zuchtstuten aus dem Stall entführt worden. Eine Spur zu den Tätern gab es nicht, niemand hatte etwas bemerkt. Willingham wusste, dass das Rennpferd mit einer Viertelmillion Pfund versichert war, sodass Guiton wenigstens kein allzu großer finanzieller Schaden entstand. Dennoch hatte der Züchter ziemlich deprimiert geklungen.
    Willingham konnte ihn gut verstehen. Was für ein mieser Tag.
    Eine Insel der Sicherheit!
    Ironischer hätte das Schicksal gar nicht darauf antworten können.
    Als das Telefon erneut klingelte, war Willingham auf alles gefasst. Ein Terroranschlag, eine Brandkatastrophe – plötzlich erschien ihm alles möglich.
    Er fischte den Hörer unter dem Stapel der gelesenen Zeitungen hervor, hielt ihn sich ans Ohr und blaffte so unfreundlich wie möglich hinein: »Ja?«
    Es war sein Nachfolger, Richter Edward Waterhouse. In saloppem Ton, der typisch war für den schlaksigen fünfundvierzigjährigen Harvard-Absolventen, sagte Waterhouse: »Guten Morgen. Wollte nur mal hören, ob Sie die Aufregungen gut überstanden haben.«
    »Danke der Nachfrage«, antwortete Willingham betont höflich. »Bis auf den Zirkus mit den Journalisten will ich mich nicht beklagen. Gibt es schon irgendwelche Neuigkeiten?«
    »Nicht wirklich, aber der Nebel lichtet sich … Wir wissen jetzt, dass die Polin eine Art friedlicher Engel war.«
    »Was heißt das?«, fragte Willingham irritiert.
    »Sie war hier, um eine alte Tante zu pflegen, die seit zwanzig Jahren auf Jersey lebt und seit einiger Zeit bettlägerig ist.«
    »Und wovon hat sie gelebt?«
    »Ausschließlich vom Geld der Tante. Die Nachbarn sagen, sie war nett, bescheiden und zurückhaltend. Hat angeblich nur selten das Haus verlassen.«
    »Trotzdem …« Willingham kam so viel Bescheidenheit merkwürdig vor. »Sie muss doch irgendwelche Kontakte gehabt haben. Was ist mit einem Freund? Mit anderen Landsleuten?«
    Waterhouse lachte. Es klang auf jugendliche Weise überheblich. »Moment, Moment – so weit ist der Staatsanwalt noch nicht!«
    Willingham begriff sofort, was sein Nachfolger ihm damit sagen wollte: Finger weg, du alter Sack!
    Indigniert brach er das Thema ab. Er kannte die Jungs aus Harvard. Sie taten locker und waren in Wirklichkeit arrogant. Und sie hielten zusammen. Der Leitende Staatsanwalt war auch so einer, dem die britischen Universitäten nicht mehr gereicht hatten.
    Gereizt fragte er: »Gibt es wenigstens schon einen Sonderstab der Polizei?«
    »Ja«, sagte Richter Waterhouse. »Seit heute Morgen.«
    »Und? Wer leitet die Gruppe?«
    »Eine Frau.«
    Willingham stöhnte vernehmlich auf. »Etwa das schmale blasse Wesen, das aussieht wie eine Marathonläuferin kurz vor dem
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