Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Was dein Herz verspricht

Titel: Was dein Herz verspricht
Autoren: Kat Martin
Vom Netzwerk:
zum erstenmal gesehen hatte - hochgewachsen und dunkel und in keinster Weise so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte.
    Nicht, daß er nicht genauso beängstigend gewesen wäre. Im Gegenteil, mit seinem etwas zu langen, leicht gewellten schwarzen Haar, den hohen Wangenknochen und den silbrig schimmernden blau-grauen Augen sah er sogar noch einschüchternder aus, als sie erwartet hatte. Er war auch viel jünger, vielleicht noch nicht einmal dreißig, und viel attraktiver. Genaugenommen war der Graf von Ravenworth womöglich der attraktivste Mann, den Elizabeth je gesehen hatte.
    Doch das machte ihn nicht weniger schändlich, rief sie sich in Erinnerung. Nicholas Warring war ein Mörder - verurteilt und bestraft ein Mann, der sieben Jahre Straflager in Jamaica hinter sich hatte. Nur dem Eingreifen seines mächtigen Vaters und den »mildernden Umständen«, wie Mr. Birdsall es genannt hatte, war zu verdanken, daß man den Kerl nicht gehängt hatte.
    Wie groß und schlank er war! Und dabei doch breitschultrig. Seine Kniehosen lagen eng um kräftige Schenkel, die mit deutlich sichtbaren, sehnigen Muskeln ausgestattet waren. Obwohl der Graf erst seit weniger als zwei Jahren wieder in England war, galt er als notorischer Wüstling und hatte einen äußerst zweifelhaften Ruf.
    Und jetzt, nachdem sein Vater verstorben war, hatte er auch den Titel des vierten Grafen von Ravenworth inne.
    Und das bedeutete: Er war ihr Vormund.
    Elizabeth schauderte, als sie daran dachte, und ihre Augen wandten sich von der offenen Tür ab. Obwohl sie hier im Salon saß, konnte sie das Murmeln von Männerstimmen vom Arbeitszimmer herüberklingen hören, und ihr Magen zog sich zusammen. Worüber sprachen sie? Sydney hatte ihr versichert, daß der Graf ihr helfen würde, doch aus dem Ausdruck seines Gesichts hatte sie geschlossen, daß er sich nicht wirklich sicher war. Die Stimmen wurden lauter und leiser. Ihr Herz schlug schneller. Was in aller Welt ging nur dort drinnen vor?
    Obwohl sie wußte, daß sie das eigentlich nicht tun sollte, und weil sie die Spannung einfach nicht eine Sekunde länger aushalten konnte, stand Elizabeth auf und ging hinüber zur offenen Tür. Keiner der Bediensteten war in der Nähe. Sie holte tief Luft, um sich Mut zu machen, dann schlich sie durch die Eingangshalle, blieb vor der Tür zum Arbeitszimmer stehen und drückte ein Ohr auf die prächtig geschnitzte Oberfläche.
    »Ihr macht wohl Witze, oder?« sagte Nick, stand vom Sessel am Schreibtisch auf und begann, vor dem marmornen Kamin auf und ab zu gehen. »Ihr könnt doch nicht im Ernst erwarten, daß ich das Mädchen hier in Ravenworth behalte.«
    Sydney Birdsall, ein schlanker, weißhaariger Mann, der früher der beste Freund von Nicks Vater gewesen war, rutschte unbehaglich hin und her, wandte aber den Blick nicht ab. »Niemand kennt Euren schlechten Ruf besser als ich, Nicholas. Seit Ihr von den Westindischen Inseln zurück seid, habt Ihr Euch ja auch die größte Mühe gegeben, das bißchen guten Ruf, das Ihr noch hattet, kaputtzumachen, so gut es geht.«
    Nick sah ihn kühl an. »Wie könnt Ihr dann also vorschlagen, daß ein junges Mädchen wie Elizabeth Woolcot unter meinem Dach leben soll?«
    Sydney seufzte: »Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, wäre ich nicht hier, das könnt Ihr mir glauben. Aber es ist nun einmal so, daß das Mädchen Euer Mündel ist. Und sie ist in Gefahr.«
    »Das Mädchen war das Mündel meines Vaters. Bis sie gerade ins Haus kam, hatte ich die junge Dame noch nie gesehen.«
    »Nein, aber Ihr habt Geld geschickt, um sie zu versorgen. Ihr habt Euch um ihre Ausbildung gekümmert und dafür gesorgt, daß sie und ihre Tante gut aufgehoben waren.«
    »Das alles habe ich durch Euch arrangiert.«
    »Trotzdem seid Ihr bisher Eurer Pflicht immer nachgekommen, und ich bitte Euch darum, in dieser Form weiterzumachen.«
    Nick gab ein frustriertes Geräusch von sich. »Ihr wißt, was in diesem Haus vor sich geht, Sydney - und was für ein Leben ich führe. Das, worum Ihr mich bittet, ist unmöglich.«
    »Elizabeth hat niemand anderen, an den sie sich wenden könnte. Ihr kennt Oliver Hampton. Der Mann ist extrem rücksichtslos. Aus welchem Grund auch immer - wegen ihrer Schönheit vielleicht, oder vielleicht auch nur, weil sie seine Werbung abgelehnt hat - will Lord Bascomb sie haben, und er wird alles tun, was in seiner Macht liegt, um sie zu bekommen.«
    Nick wandte sich von dem schlanken, kleinen Mann mit dem klugen, wachsamen Blick ab.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher