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Was danach geschah

Was danach geschah

Titel: Was danach geschah
Autoren: James Kimmel
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Haissem, der älteste Präsentator in Schemaja überhaupt. Ich muss schon sagen, Haissem, er ist keinen Moment zu früh eingetroffen. Wir haben gerade Amina Rabun verloren, und jetzt offenbar auch Miss Cuttler.«
    »Willkommen im Gericht, Samar«, begrüßte Haissem ihn mit einer höflichen Verbeugung. »Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal hier im Gericht zusah. Abel stellte den schwierigen Fall seines Bruders Kain vor. Das war allerdings noch lange vor deiner Zeit, Luas.«
    »Ja, lange davor«, stimmte Luas zu.
    »Seitdem hat sich nicht viel verändert«, seufzte Haissem. »Luas hält den Terminkalender am Laufen, auch wenn die Anzahl der Fälle ständig steigt. Wir sind froh, dich hier zu haben, Samar, und du darfst dich glücklich schätzen, von einem Mentor wie Luas betreut zu werden. Es gibt keinen besseren Präsentator in Schemaja.«
    »Anwesende ausgenommen«, räumte Luas ein.
    »Ganz und gar nicht«, wehrte Haissem ab. »Ich übernehme die leichten Fälle.«
    »Nur wenige würden behaupten, bei Sokrates und Judas habe es sich um leichte Fälle gehandelt«, erwiderte Luas. »Ich bin nur Mitarbeiter des Gerichts.«
    Haissem zwinkerte Samar zu. »Lass dich nicht an der Nase herumführen«, sagte er. »Ohne Luas gäbe es kein Schemaja.« Er ergriff Samars Hand. »Ich muss mich anmelden und mich vorbereiten. Wir sehen uns wieder, Samar, nach deinem ersten Fall. Du wirst die Sache hier gut machen, dessen bin ich mir sicher.«
    Er trat in die Mitte des Gerichtssaals. Das Wesen aus dem Monolithen erschien, flüsterte ihm etwas zu und verschwand wieder. Haissem hob anmutig seine Arme zu einem Bogen und rief fast explosionsartig mit einer Stimme, die viel lauter war als die der anderen Präsentatoren:
    »Ich präsentiere Brek Abigail Cuttler … sie hat entschieden!«
    Ich erinnere mich an den Klang von rauschendem Wasser und wehendem Wind, von lachenden Delphinen und singenden Vögeln, von sprechenden Kindern und seufzenden Eltern, von lebenden und sterbenden Sternen und Galaxien … an den Klang der atmenden Erde, sofern man diesen von der anderen Seite des Universums aus hätte hören können. Ich erinnere mich, Gott in diesen Klängen gehört zu haben, der nach Cudi Daği weinend um Vergebung bat, und ich erinnere mich, in diesen Klängen die Menschheit gehört zu haben, die nach Golgatha weinend um Vergebung bat. Doch auch die unbeschreibliche Freude Noahs lag in dieser Musik, die von der Küste heraufhallte und mit der er seinem Vater vergab, und die unbeschreibliche Freude Gottes, die von oben erklang, vom Kreuz nach unten hallte, um seinen Kindern zu vergeben. Und irgendwo, ganz schwach, aber immer noch hörbar, erklang das Weinen von Otto Rabun-Bowles, begleitet von dem freudigen Lied einer anderen Seele, in dem immer lauter drei Worte wiederholt wurden:
    »Ich bin Liebe! Ich bin Liebe! Ich bin Liebe!«
    Es war das Lied über die bedingungslose Liebe – das Lied von Eva, die nach einer langen, fürchterlichen Reise nach Hause in den Garten Eden zurückkehrte. Im Verlauf der Präsentation meines Lebens wurde dieses Lied immer lauter, ich hörte darin die göttliche Perfektion, weil ich darin alles hörte, was zur Schöpfung gehörte: Mein Zur-Welt-Kommen bei der Geburt steckte in diesem Lied, und die erste Umarmung meiner Mutter. Es gab Blumen, Musik, Sonne und Regen. Es wurde von Bergen und Meeren gesungen, von Büchern, Skulpturen und Gemälden. Von Freunden und Freundinnen, von Brüdern und Schwestern auf Hollywoodschaukeln, von Kindern im Sandkasten und einem jungen Mann, der losrannte, um eine Frau zu verteidigen. Pferde, Segelboote und Babys kamen vor, auch Apfelbäume und Rinder und Mütter, die ihre Kinder stillten. Brot, Wasser und Wein kamen vor, aber auch Augen, Ohren, Haut und Haare, Lippen und Arme und Beine. Wasser wurde besungen, Decken, Sonnenuntergänge, Monde und Sterne, Arbeit und Spiel, Helden und Heldinnen. Die Generationen waren Teil des Liedes, und Großzügigkeit und Selbstlosigkeit. Und die Liebe kam vor. Doch auch Angst. Die Misshandlung durch einen Elternteil und die Selbstsüchtigkeit eines Kindes, eine unredliche Anwältin und ihr unredlicher Mandant, ein Ehebrecher und seine Geliebte, ein Soldat und seine Waffe, eine Todeskammer und ein Verbrennungsofen; Rassisten, Lügner, Betrunkene, Vergewaltiger und Diebe. Jungs, die Krebse quälten, kamen in dem Lied vor, und der Gott, der seine eigenen Kinder tötete, und die Kinder, die ihren eigenen Gott töteten.
    Das Wesen aus
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