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Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)

Titel: Was bleibt: Kerngedanken (German Edition)
Autoren: Hans Küng
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Verhalten ist überprüfbar, das Recht ist im Prinzip einklagbar und zur Not erzwingbar (»Im Namen des Gesetzes«).
    –   Aber zugleich haben Menschen originäre Pflichten, die schon mit ihrem Personsein gegeben sind und die nicht in irgendwelchen Rechten gründen: Es sind dies rechtlich nicht fixierbare ethische Pflichten. Hier sind wir auf der Ebene des Ethos , der Sitten, des Gewissens, des »Herzens« … Die innere, moralisch gute Gesinnung oder schon nur die Wahrhaftigkeit ist nicht direkt überprüfbar; sie ist deshalb auch nicht rechtlich einklagbar und erst recht nicht staatlich erzwingbar (»Gedanken sind frei«). Die »Sanktionen« des Gewissens sind nicht rechtlicher Art, oft aber – bis in Traum und Schlaflosigkeit hinein fühlbar – moralischer Art. Daß Unmoral sich auch in Politik und Gesellschaft auf die Dauer selten auszahlt und oft zu Konflikten mit dem Strafgesetz führt, folgt nicht direkt aus dem ethischen Imperativ.
    4. Wo Recht und Ethos auseinanderklaffen , funktioniert auch das Recht nicht. Ob die Menschenrechte in concreto realisiert werden, hängt nicht nur allgemein vom ethischen Willen der Verantwortlichen ab, sondern oft von der moralischen Energie eines einzelnen oder einiger weniger. Selbst die Realisierung des grundlegenden Prinzips des Völkerrechts »pacta sunt servanda«, Verträge sind zu halten, hängt, wie das Beispiel des früheren Jugoslawien erneut demonstriert hat, ganz entscheidend am ethischen Willen der Vertragspartner. Und muß nicht Wahrhaftigkeit, gesetzlich nicht überprüfbar, bei jedem Vertragsabschluß vorausgesetzt werden, ohne sie rechtlich erzwingen zu können? »Moral ist gut, Rechte sind besser« (N. Greinacher) ist ein einfältiger Satz. Denn was nützen alle Rechte und Gesetze, wenn keine Sitten, keine sittliche Gesinnung, keine Gewissensverpflichtung dahinterstehen? Mit anderen Worten: Das Recht braucht ein moralisches Fundament ! Und so heißt es denn in der Pflichten-Erklärung, eine bessere Weltordnung könne mit Gesetzen, Konventionen und Verordnungen allein nicht geschaffen werden. In der Tat: Das Recht hat ohne Ethos auf Dauer keinen Bestand. Und deshalb ist es sinnvoll und geboten, einer Erklärung über Menschenrechte eine über Menschenpflichten an die Seite zu stellen. Wie gesagt: Beide begrenzen sich nicht gegenseitig, sondern stützen einander.
    5. Ein letztes: Die 19   Artikel der Pflichten-Erklärung sind alles andere als ein beliebiger »Cocktail«, sondern – von jedem Kenner leicht erkennbar – eine in unsere Zeit hinein übersetzte Ausformung der vier elementaren Imperative der Menschlichkeit (nicht töten, stehlen, lügen, Unzucht treiben), die sich trotz aller Glaubensunterschiede schon bei Patanjali, dem Begründer des Yoga, in der Bhagavadgita und im buddhistischen Kanon und natürlich auch in der Hebräischen Bibel, im Neuen Testament, im Koran, ja in allen großen religiösen und ethischen Traditionen der Menschheit finden. Nicht ein »Kulturrelativismus« wird dadurch gefördert, vielmehr wird dieser durch die Integration kulturspezifischer Werte in einen universal ausgerichteten ethischen Orientierungsrahmen überwunden! Ihren Bezugsort, ihre Mitte und ihren Kern, so sahen wir, haben diese fundamentalen Menschenpflichten, wie die Menschenrechte auch, in der Anerkennung der Menschenwürde , die im allerersten Satz der Menschenpflichten- wie der Menschenrechte-Erklärung im Zentrum steht. Aus ihr folgt der grundlegende ethische Imperativ, jeden Menschen wahrhaft menschlich zu behandeln, konkretisiert durch die Goldene Regel, die auch kein Recht, sondern eine Pflicht ausdrückt. So ist die Pflichten-Erklärung ein Appell an die Institutionen, aber auch an das moralische Bewußtsein der einzelnen, in allem Handeln ausdrücklich die ethische Dimension zu beachten.
    »Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten.
Ein Vorschlag« (1998, hrsg. v. H. Schmidt), S.   78   –   94.

Politik und Ethos
    Auf der Linie von »Projekt Weltethos« plädiert Hans Küng für ein neues Paradigma von Politik und internationalen Beziehungen, das nicht auf realpolitischem Kalkül nationaler Eigeninteressen basiert, sondern auf Werten, Kooperation und Verständigung. Der vorliegende Text fasst die wesentlichen Argumente zusammen.
    Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg hatte sich – allen nur zu offenkundigen Widerständen zum Trotz – langsam und mühselig ein neues nachmodernes Paradigma von Politik durchgesetzt. Es ist nicht mehr
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