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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah
Autoren: Loel Zwecker
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demjenigen, der sie für ihn entziffern und deuten kann, dass er als Belohnung in seinem Reich mitregieren darf. Nachdem babylonische Gelehrte versagen, wird Daniel, einer der verschleppten Juden im Land, für seine Weisheit bekannt, zum König gebracht. Er liest »Mene mene tekel u-parsin« und erklärt Belsazar die Worte: Sie sind, so Daniel, eine Mahnung (Menetekel), ein Hinweis auf die Korruption des Königs und den baldigen Untergang von Belsazars Babylon.
    Durch diese Episode des Alten Testaments wird nicht nur der Begriff Menetekel geprägt, sie markiert auch eine wichtige Etappe in der Geschichte des Graffiti. Zwar kann man neben prähistorischen Höhlenbildern schon in Inschriften ägyptischer Schreiber Graffiti sehen (von griech. graphein = schreiben und ital. graffiare = kratzen); in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts v. Chr. etwa kratzt der Schreiber Kenherchepeschef seinen Namen in Steinwände, um seinen Einflussbereich zu markieren. Doch das Menetekel-Graffiti aus dem Buch Daniel ist insofern besonders, als mit ihm ein symbolischer Machtanspruch von an sich Unterprivilegierten geltend gemacht wird. Das Bedrohliche klingt noch heute in der englischen Wendung »writing on the wall« an, die – wie Menetekel – eine Warnung bedeutet. Eine regelrechte Graffiti-Bewegung entwickelt sich allerdings erst Jahrtausende später, als Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts writer zunächst in Problemvierteln, Ghettos wie der Bronx und Harlem in New York Botschaften an Wände und U-Bahnwaggons sprühen, die für Außenstehende schwer entzifferbar sind. Schließlich verhelfen Journalisten und Künstler wie Keith Haring und Jean-Michel Basquiat den Graffiti zum Sprung von der Undergroundkunst zur »Hochkunst«, die nun auch in Galerien, Museen und Bildbände passt. Das alttestamentarische Graffiti hat seinen Weg in die Kunstgeschichtsschreibung bereits im 17. Jahrhundert über Rembrandts Das Gastmahl des Belsazar (1635) genommen.
    Der historische Hintergrund zur biblischen Legende über Daniel und seine Warnung ist allerdings prosaischer: Als letzter König des Neubabylonischen Reiches unterliegt Nabonid 539 v. Chr. dem Perserkönig Kyros II. Der zerstört das Neubabylonische Reich, und ihm verdanken die Juden ihre Heimkehr aus der sogenannten Babylonischen Gefangenschaft in ihr Land. Deshalb wird Kyros, obwohl er Nicht-Jude ist, im Alten Testament als Retter gefeiert – ja sogar als »Hirte« und »Gesalbter« (Jesaja 44,28; 45,1).
    Bestechen die Ägypter mit einer straffen, textbasierten Organisation und die Völker Mesopotamiens mit lebendiger Stadtkultur, Gesetzen und dem vielleicht ersten Nationalepos, drücken die halbnomadischen Völker Palästinas als weitere historische Macht des Nahen Ostens der westlichen Welt mit dem Alten Testament ab dem 10. Jahrhundert v. Chr. ihren Stempel auf: nur ein Gott, Zehn Gebote (Exodus 20, 1-17), keine Bilder, dafür tolle Storys. Und auf all das hält das »auserwählte Volk Gottes« die Exklusivrechte (Genesis 12, 1-3).
     
    Dass das Alte Testament mit seiner Mischung aus Fakten und Fantasie bis heute die Hauptquelle zur Geschichte des alten Israel darstellt, erschwert eine historisch genaue Darstellung erheblich. Historisch bedeutend ist die Bibel schon deshalb, weil es die zwölf Stämme Israels, die mal von den Ägyptern, mal von Babyloniern unterjocht werden und obendrein miteinander streiten, mit Hilfe der identitätsstiftenden Heiligen Schrift schaffen, an der Ostküste des Mittelmeeres eine Einheit herzustellen – und politisch-militärische Stärke. Vor allem aber entwerfen sie die langfristig dominante Religion des Abendlandes. Bis heute ist nicht klar, ob überhaupt und wenn ja, wo und wie lange Moses – wie es im Buch Exodus des Alten Testaments heißt – nach dem Auszug aus Ägypten mit den Israeliten durch die Wüste geirrt ist, um dem Volk schließlich am Berg Sinai die Zehn Gebote zu überbringen.
    Nachdem Moses das Goldene Kalb, um das sein Volk, während er auf den Berg klettert, heimlich tanzt, zerstört, sind die Stämme durch den bildlosen Kult ihres Gottes Jahwe vereint. Sie besiegen die einheimischen Kanaanäer und Philister, nach denen das Land Palästina benannt ist. Die Philister sind im Alten Testament die Erzfeinde der Israeliten – und meist die Verlierer. Etwa in der Geschichte über Simson (Samson). Zwar überwältigen die Philister ihn mit Hilfe der schönen Deleila, in die sich der impulsive Simson verguckt, zunächst auf
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