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Was bin ich wert

Was bin ich wert

Titel: Was bin ich wert
Autoren: Joern Klare
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Entscheidung wird von Fall zu Fall vom jeweiligen Gericht getroffen. Als Orientierung dienen dabei jährlich aktualisierte und veröffentlichte Schmerzensgeldtabellen, in denen alle relevanten Urteile, die in Deutschland gefällt wurden, aufgelistet werden.
    Die Spanne reicht von 50 Euro für eine »1 Zentimeter lange, nicht klaffende Wunde am Bein durch Hundebiß« bei einem 9jährigen Jungen bis hin zu 500   000 Euro für eine »schwerste Hirnschädigung durch groben Behandlungsfehler bei Geburt« bei einem Säugling oder 500   000 Euro plus einer monatlichen Rente von 500 Euro für eine Querschnittslähmung ab dem ersten Halswirbel bei einem dreieinhalbjährigen Kind. Im Dezember 2009 wird einer 54jährigen, die nach einer mißglückten Magenoperation schwerste Behinderungen und extreme Schmerzen hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von einer Million Euro zugesprochen – ein neuer trauriger Rekord. Insgesamt fällt jedoch auf, daß die Summen, die bei vergleichbaren Schadensfällen an Kinder gezahlt werden, höher sind als bei Senioren.
    Für das Leben als solches beziehungsweise den Tod als solchen muß in Deutschland aber im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern oder auch den USA nichts gezahlt werden. Hinterbliebene können lediglich eine »mittelbare Verletzung« geltend machen. Klagen in diese Richtung verlaufen aber häufig erfolglos. 2003 sprach ein Gericht einer Klägerin außergewöhnlich hohe 55   000 Euro für den Schock zu, den sie aufgrund des »Miterlebens des Todes des Sohnes« erlitten hatte. Ebenfalls zu den »Schockurteilen« zählen aber auch die 102 Euro, die eine Klägerin für den Schreck zugesprochen bekam, der »nach mißglückter Dauerwellenbehandlung« durch einen »Blick in den Spiegel« ausgelöst wurde, oder die 2045 Euro, die ein 58jähriger Mann für die über zwei Jahre hinweg andauernden Angstzustände nach einer Krebsfehldiagnose erhielt.
    Eine bizarr anmutende Ausnahme, bei der doch »für« den Tod gezahlt werden muß, liegt vor, wenn das Opfer leiden mußte, bevor es starb. Für dieses Leiden steht ihm ein Schmerzensgeldanspruch zu, der an die Hinterbliebenen übertragen werden kann. Tritt der Tod aber »sofort« oder »unmittelbar« ein, besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld. Andererseits erhielten die Angehörigen eines Kindes, das bis zu seinem Tod noch etwa vierzig Minuten an schwersten Verletzungen litt, nachdem es von einem Bus überfahren wurde, 511 Euro. Für das 21 Monate währende Martyrium eines Mannes, der »aufgrund schwerer Gehirnverletzungen, Lungenquetschung, Oberarmfraktur, Ellenbogenverletzung« unter Persönlich-keitsverlust litt, wurden vom Gericht 76 693,78 Euro zugesprochen.
    Gezahlt werden muß immer wieder auch für das nicht erwünschte Leben. Die Urteile für eine ungewollte, aber komplikationslose Schwangerschaft aufgrund einer fehlgeschlagenen Sterilisation reichen von 1533 Euro bis 10 225 Euro, die für ein nicht gewolltes schwerbehindertes Kind gezahlt werden mußten.
    Doch der Mensch besteht nicht nur aus seinem Körper, er hatauch Persönlichkeit beziehungsweise Ehre, und auch die können verletzt werden. 357 Euro bekam etwa eine Schwarzafrikanerin zugesprochen, die als »schwarzer Affe« und »Negerpack« beleidigt wurde. Ein »blöder Scheißbulle« kann etwa 250 Euro kosten. Die »unberechtigte Verdächtigung/Bezichtigung des Kaufhausdiebstahls« kann je nach Umständen beziehungsweise Richter zwischen 127 und 1022 Euro wert sein. 2556 Euro erhielt eine Frau von ihrem ehemaligen Liebhaber mit der Begründung, der »verheiratete Beklagte« habe »mit der Klägerin, einer ledigen Frau, sechs Jahre ein Liebesverhältnis unter Inaussichtstellung von Scheidung und anschließender Eheschließung« unterhalten.
    Richtig ins Geld gehen Schmerzensgeldzahlungen, wenn es sich um das »Recht am eigenen Bild« Prominenter handelt. Spitzenreiter bei Entschädigungen für eine auf solche Weise erlittene Pein ist Boris Becker, dem 2006 für die unfreiwillige Teilnahme an einer Werbeaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in erster Instanz 1,2 Millionen Euro zugesprochen wurden. Die Rapperin Sabrina Setlur bekam vom Magazin Max 256   000 Euro für unberechtigt veröffentlichte Nacktaufnahmen, Joschka Fischer 200   000 Euro vom Axel Springer Verlag für die Werbung mit einem manipulierten Foto. Es kann sich also auch lohnen, ein Opfer zu sein.
    All diese beindruckenden und eben auch irritierenden Zahlen bringen mich auf einen Gedanken: Wenn
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