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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Autoren: Michael Winterhoff
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Bemühungen gesehen werden. Denn die Erkenntnisse, die ich aus meiner langjährigen Tätigkeit gewonnen habe, lassen zwingend darauf schließen, dass der Schlüssel zu einem großen Teil unserer gesellschaftlichen Probleme in den erheblichen Defiziten der in der Gesellschaft handelnden Personen begründet liegt.

Kinder an die Macht! Kinder an die Macht?
    Als Herbert Grönemeyer 1986 musikalisch forderte, Kindern die Macht zu geben, weil diese nicht von der Machtgier und der Skrupellosigkeit der Erwachsenen getrieben seien, war das zwar unter dem besonderen Eindruck der
Katastrophe von Tschernobyl sinnbildlich als Protest gegen die Fehler der Elterngeneration zu verstehen, spiegelte jedoch gleichzeitig auch ein Menschen- oder besser gesagt Kinderbild wider, das sich heute in geradezu grotesker Art und Weise zum gesellschaftlichen Konsens aufgeschwungen hat.
    Vordergründig scheint die Kinderwelt in den westlichen aufgeklärten Gesellschaften heute mehr denn je in Ordnung zu sein. Es gibt keine Zehnjährigen mehr, die in Bergwerken schuften müssen, damit die Großfamilie daheim genug zu essen hat. Konnte die Literatur um 1900 noch ein eigenes Genre des Schulromans hervorbringen, das den Lehrer als Tyrannen zeichnete, man denke an Frank Wedekinds’ »Frühlings Erwachen«, Robert Musils »Der junge Törleß« oder entsprechende Kurzgeschichten von Rainer Maria Rilke, so werden die Buchseiten heute mit pädagogischen Konzepten und bildungstheoretischen Schriften gefüllt, die nur eines zum Ziel haben: es dem Schüler so leicht wie möglich zu machen, höhere Bildungsstufen zu erklimmen und ein erfolgreiches, selbst bestimmtes sowie erfülltes Leben zu führen.
    Kinderrechte sind ein großes Thema, so hat sich beispielsweise auf kommunalpolitischer Ebene die Einführung so genannter Kinderparlamente in vielen Gemeinden eingebürgert. Kinder dürfen dort ähnlich wie die Erwachsenen in einem parlamentarischen Meinungsbildungsprozess Positionen zu Entscheidungen im Gemeindewesen entwickeln, die anschließend in die Entscheidungsfindung des Stadtrates mit einfließen.
    Das Kind an sich erscheint uns heute geradezu als Heilsbringer. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Kindermangel der modernen Gesellschaft. Die Tatsache, dass in den vergangenen Jahrzehnten immer weniger Kinder geboren
wurden, macht das Kind wie in einem marktwirtschaftlichen Vorgang zu einem raren und damit begehrenswerten bzw. wertvollen Gut, das bevorzugt behandelt werden muss.
    Kinder werden auf diese Art und Weise in eine Rolle hineingezwängt, für die sie nicht geeignet sind, da ihnen sämtliche psychischen Eigenschaften fehlen, diese Rolle ausfüllen zu können. Die Rolle, die ihnen zugewiesen wird, ist die eines Partners der Erwachsenen.
    Trifft man Erwachsene, die sich über Kinder im Kindergarten- oder frühen Schulalter unterhalten, hört man häufig Sätze wie »Mein Kind hat einen starken Willen, es setzt sich durch, weil es weiß, was es will«. Mit solch einer Beschreibung wird dem Kind eine eigene Persönlichkeit zugeschrieben, die es in einem so frühen Stadium seines Lebens noch gar nicht haben kann, da die Persönlichkeitsentwicklung erst mit dem achten oder neunten Lebensjahr einsetzt. Abhängig ist sie in der Folge sowohl von genetischen Anteilen der Eltern als auch von individueller Förderung einzelner Persönlichkeitsanteile.
    Was die Eltern aus dem Beispiel mit Persönlichkeit verwechseln, sind schlicht kindliche Verhaltensweisen, die jedes Kind in diesem Alter zeigt. So wirken Kleinkinder immer »willensstark«, da sie psychisch gesehen noch in der Annahme leben, sie seien alleine auf der Welt und könnten rein lustbetont ihren Willen ausleben. Diese Kinder haben noch nicht gelernt, ihre Außenwelt und andere Menschen als Begrenzung ihres eigenen Ichs anzusehen.
    Das Problem besteht darin, dass viele Eltern, aber auch Erzieher und Lehrer, das Gefühl dafür verloren haben, den Kindern diese Begrenzung zu vermitteln. Sie nehmen das Kind in seiner vermeintlichen Persönlichkeit wahr und bestärken es eher noch in den angenommenen Merkmalen. Damit wird jedoch eine altersgerechte Weiterentwicklung
des Kindes verhindert, es verbleibt in einer frühkindlichen psychischen Phase und wird immer Schwierigkeiten haben, sich im Alltag zurechtzufinden, der ständig das Anerkennen von Grenzen fordert.
    Wie
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