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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Autoren: Michael Winterhoff
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diese in der Regel durch die sofortige Befriedigung seines Bedürfnisses bestätigt bekommen, d.h., die Mutter würde sofort das Kind an die Brust anlegen und es stillen, bzw., falls das nicht möglich sein sollte, ihm die Flasche geben. Das typische Baby-Schreien setzt erst nach etwa vier bis sechs Wochen ein, wenn das Kind nicht mehr nur Hell und Dunkel unterscheidet, sondern sich in die Lage versetzt sieht, zu erkennen, ob die Nahrungsquelle sich in erreichbarer Nähe befindet oder nicht. Wenn die Brust oder die Flasche dann nicht vor Ort sind, ist der Schrei ein Ausdruck der Wut über diesen Zustand.
    Wichtige Veränderungen entstehen in dieser Phase auch bei der Motorik des Kindes, es erschließt sich die Welt zunächst über das Krabbeln, dann über das beginnende Laufen. Durch die Erfahrung der immer »größer« werdenden Welt, fängt das Kind an, sein eigenes Selbst vom Selbst des jeweiligen Gegenübers in der Umwelt zu unterscheiden. Es erfährt also »sich selbst«, und es erfährt »das andere Selbst«, bzw. schlicht und ergreifend die Existenz des anderen.
    Nach der Beschreibung Sigmund Freuds fungiert beim Kind der Mund in dieser Zeit als erogene Zone, da es einen erheblichen Lustgewinn aus dem Saugen, Lutschen und Beißen bezieht. Letzteres kennzeichnet die späte orale Phase, da
in dieser die ersten Zähne des Kindes kommen, so dass das Beißen eine wichtige Rolle spielt.
    Die anale Phase
    Die anale Phase findet gewöhnlich im Alter von zwei bis drei Jahren statt. Für das Weltbild des Kindes ist diese Phase gekennzeichnet durch den Satz »Ich bin, was ich behalte oder abgebe«. Übertragen auf das Verhalten des Kindes gegenüber seiner Umwelt bedeutet das nichts anderes, als dass das Kind in dieser Phase entdeckt, dass es sich selbst bestimmen kann und auch darüber bestimmt, ob es sich von außen bestimmen lässt. Ein Kind kommt also populär gesprochen in die »Trotzphase«, es versucht zunehmend, seinen Kopf durchzusetzen und den Erwachsenen dazu zu bringen, die Bedürfnisse des Kindes in jedem Fall zu befriedigen.
    Die magisch-ödipale Phase
    Bei Freud beschreibt die ödipale Phase ein frühes Stadium der genitalen Phase und gipfelt in der populären Beschreibung des so genannten Ödipuskomplexes, des Phänomens also, dass Kinder sich nun zum jeweils gegengeschlechtlichen Elternteil hingezogen fühlen. In der modernen Theorie kommt noch hinzu, dass Kinder durch die plötzlich eingetretene Konkurrenzsituation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil vom ausschließlichen Bezug auf eine Person Abstand nehmen und sich zu diesem Zeitpunkt erstmals in das System Familie integrieren.
    Die umfangreichen Studien Freuds führen an dieser Stelle zu weit, für meine These ist wichtig, dass Kinder in der magisch-ödipalen Phase, die im Alter von vier bis fünf Jahren eintritt, sich über den Satz »Ich bin, was ich mir vorstelle« definieren. Sie handeln also nach dem Motto »Ich baue mir die Welt so auf, wie ich sie brauche«. Kinder in diesem Alter
leben folglich für Erwachsene unrealistische Fantasien aus, funktionieren etwa Gegenstände zu etwas um, was diese in jenem Moment für sie sein sollen.
    Die Phasen, in denen diese kindlichen Weltbilder entstehen, werden bei einer gesunden psychischen Entwicklung des Kindes nacheinander durchlaufen, am Ende dieser Entwicklung ist es in der Lage, zu erkennen, dass eine Eigenreaktion eine Gegenreaktion im Gegenüber auslösen kann. In Konflikten kann es beispielsweise nun Eigenanteile sehen und entsprechend handeln. Im klassischen Sinne ist das Kind damit schulreif. Das Kind kann diese Entwicklungsschritte nur nehmen, wenn sich die Eltern phasenspezifisch verhalten. Diese müssen also dafür sorgen, dass jede Phase abgeschlossen und in die nächste übergegangen werden kann. Dieser Vorgang beruht keineswegs auf Automatismen. Auch später, also nach dem sechsten Lebensjahr schließen sich weitere Entwicklungsphasen an, bis schließlich, beginnend im späteren Jugendalter, unser Erwachsenenweltbild entsteht.
    Diese die Entwicklung beschreibenden Bilder beziehen sich auf die Frage »Wie erlebe ich mich aus mir selbst heraus innerhalb dieser Welt?« Gleichzeitig entsteht jedoch in einem anderen Bereich der Psyche eine weitere Sichtweise, die auf die Frage antwortet »Wie erlebe ich diese Welt als solche?«
    Sobald das
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