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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
Autoren: Claudia Brockmann
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Nebenzimmer wartete. Die Großeltern betraten das Büro. Die Großmutter blickte ihrer Tochter in die Augen. Sie sagte nur: »Nein! Nein!« Der Großvater kippte sofort um.
    In diesen Augenblicken wird spürbar, was das Wort »Mord« wirklich bedeutet. Es ist auch für mich als Psychologin immer wieder erschütternd, mitzuerleben, wenn sich schon in den ersten Momenten nach einer Tat zeigt, dass mit einem Verbrechen nicht nur ein Leben ausgelöscht wurde, sondern die ganze Familie daran zu zerbrechen droht. Die Trennungsrate von Eltern, die ihr Kind verloren haben, ist hoch. Und im Falle eines Verbrechens tragen Familien eine noch schwerere Last, vor allem durch die Schuldgefühle: »Hätte ich sie doch nicht mehr aus dem Haus gelassen!«, »Wäre ich doch mitgegangen!«.
    Die Mutter sagt später: »An diesem Tag bin auch ich selbst gestorben.«
    Ich blicke nun in diese Ordner. Es sind Details, die schwer zu ertragen sind, Spuren sexueller Handlungen, die im Leben eines Kindes nichts zu suchen haben. Aber nur wer sich damit auseinandersetzt, kann verstehen, wie Dinge geschehen sind. Und warum.
    Die Spurenlage ist aufgeteilt nach Orten.
    Das Kellerabteil der Familie Wagner:
    Dort wurden Gewebespuren gefunden und von den Experten der Kriminaltechnik untersucht. Ein Haar, es stammt von Denise. Eine DNA -Spur, auch sie stammt von ihr. Selbst vom Schmutz auf dem Kellerboden wurden Proben genommen. Die Verpackung eines Anglerstuhls wurde sichergestellt, die aus demselben Material und von derselben Farbe ist wie der Sack, der vor das Gesicht des Mädchens gebunden war. Auch eine Rolle mit Tesafilm. Eine Schraube.
    Die Wohnung der Wagners:
    Der Pappkarton mit der Leiche. Er war mit einem Klebeband verschlossen, Marke Tesa. Das Kabel, mit dem das Opfer gefesselt war, hing aus dem Karton und war einmal um ihn gewickelt. Im Karton lagen Wischtücher von einer Küchenrolle. Auf ihnen befand sich Blut des Opfers. Außerdem: Die Spuren in der Wäsche von Nils. Eine Kondompackung.
    Die Umgebung des Hauses:
    Das Fahrrad im Gebüsch. Zudem wurden mehrere Papiertücher gefunden, die in eine Papprolle gesteckt waren. Die Experten fanden auf einem der Tücher Spermaspuren von Nils. Auf einem anderen DNA -Spuren sowohl von Nils als auch vom Opfer.
    Und schließlich der Leichnam:
    Der Gerichtsmediziner hat die Leiche noch am gleichen Tag obduziert. Elf Stunden hat es gedauert, sie sorgsam zu entkleiden, jeden Zentimeter zu untersuchen und jede Faser zu sichern, die am Körper gefunden werden konnte. Es fanden sich Spermaspuren von Nils Wagner, sowohl am Körper als auch an der Kleidung des Kindes. Außerdem Fasern vom Kellerteppich im Gesicht des Mädchens. Der Mediziner stellte etliche Verletzungen im Genitalbereich fest. Die Knie des Mädchens waren aufgeschürft. An seinem Hals befanden sich nicht nur Spuren der Fesselung, in der es im Karton gefunden wurde, sondern auch sogenannte Drosselmarken, also Schürfungen und Unterblutungen, die rund um den Hals verlaufen. Die inneren Verletzungen weisen darauf hin, dass das Mädchen sehr wahrscheinlich nicht erstickt ist – was beispielsweise der Fall wäre, wenn ihm zu lange der Mund zugehalten wurde. Es wurde erdrosselt: durch ein Würgen mit einem Seil oder einem Kabel.
    Manche dieser Spuren senden schon auf den ersten Blick eine klare Botschaft. Es ist erwiesen, dass das Mädchen sexuell missbraucht worden ist. Es ist eindeutig, dass Nils sexuelle Handlungen an ihr vollzogen hat. Denise muss außerdem im Kellerabteil gewesen sein. Der Schmutz in ihrem Haar und an ihrem Bauch stammt von dort. Er wurde aber nicht auf ihrer Kleidung gefunden, sondern direkt auf der Haut. Das Kind muss folglich mit nacktem Bauch den Kellerboden berührt haben, bevor es wieder angezogen wurde.
    Es ist ein erster Ansatzpunkt.
    Wir als Analytikerteam müssen nun versuchen, die Fakten zu sortieren und in eine plausible Reihenfolge zu bringen, bis die möglichen Varianten der Tat vor uns liegen.
    Die Kollegen im Vernehmungszimmer des Präsidiums lassen den Jungen erst mal lügen. »Ich bin mir ganz sicher, dass sie ein blaues Halstuch trug«, hat Nils gesagt. Aber wir wissen aus Aussagen der Mutter, dass Denise kein solches Halstuch besaß. Der Täter musste das Tuch mitgebracht haben, das dem Mädchen später um den Mund gebunden wurde. Von allen Kleidungsstücken des Opfers will Nils sich nun ausgerechnet an eines »ganz sicher« erinnern, das es garantiert nicht trug? Warum ist dieses Halstuch für ihn so
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