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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
Autoren: Claudia Brockmann
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die Bedienungsanleitung. Anweisungsgemäß setzt der MEK -Mann das Fahrzeug in Gang, das von einem Elektromotor betrieben über die Gleise jagt. Zur Sicherheit hat Dagobert auch noch Schnüre über die Gleise gespannt, die bei Berührung Feuerwerkskörper zünden. Als die Beamten dem Wagen hinterherrennen, knallt es. Nach ein paar hundert Metern entgleist das Gefährt, bevor es sein Ziel erreicht. Springborn wird im nächsten Telefonat einiges zu tun haben.
    Die Gespräche mit einem Erpresser müssen akribisch vorbereitet werden. Zuerst benötigt der Sprecher eine Rolle, die glaubhaft ist, aber ihm Handlungsspielraum gibt. Soll Springborn ein Vorstandsmitglied spielen? Nein, dann könnte Dagobert spontane Entscheidungen von ihm verlangen. Eher jemanden auf der mittleren Führungsebene, der selbst keine Entscheidungen treffen kann, nicht über alles informiert ist und sich in heiklen Momenten ahnungslos stellen kann. Unser Mann soll zwar einen ernstzunehmenden Partner darstellen, aber keiner von »denen da oben« sein, auf die der Täter vielleicht einen Groll hat.
    Und wie soll er mit ihm reden? Wertschätzend, respektvoll, auf Augenhöhe. Nicht untertänig, schließlich will Dagobert ja nicht mit »irgendjemandem« reden. Jedoch auf keinen Fall dominant oder gar konfrontativ. Vorschläge dürfen nur sehr vorsichtig gemacht werden. Und keine moralischen Vorhaltungen – sie würden nur das Gegenteil von Einsicht bewirken. Die Hoffnung des Mannes muss unbedingt erhalten bleiben. Die Frustration darüber, dass die Chance seines Lebens eine Illusion ist, könnte er vermutlich nicht ertragen. Immer muss Springborn betonen, dass Karstadt zahlen will, weil der Täter das so wünscht.
    Aber wo genau können wir ansetzen? Dort, wo Dagobert Fähigkeiten besitzt und ein gewisses Selbstvertrauen: bei der Technik. Ein für uns zu kompliziertes Vorgehen, einen technischen Fehler können wir vorschieben, wenn wir eine Erklärung für ein Scheitern brauchen. Einen solchen Einwand kann unser Täter aushalten. Ansonsten muss Springborn die Samthandschuhe anziehen.
    Die Abläufe vor den Telefonaten sind immer gleich: Am Anfang steht die Besprechung mit dem Polizeiführer, in der die Ziele für das nächste Gespräch ausgearbeitet werden. Danach gehen Springborn und ich ins »Telefonzimmer«. Auf ein Flipchart an der Wand schreibe ich die Ziele, dann arbeiten wir gemeinsam daran, wie Springborn sie am besten erreichen kann. Was haben wir von Dagobert zu erwarten? Wie könnte Springborn darauf antworten, ohne den Täter zu provozieren, ihn dabei aber am besten in Richtung unserer Ziele lenken? So entsteht ein mehrere DIN -A4-Seiten langes Gesprächskonzept. Dann spielen wir wieder und wieder die möglichen Dialoge durch. Wenn Springborn an einer Stelle ins Stocken gerät, wissen wir, dass die Formulierung noch nicht sitzt. Wie Schauspieler bei der Generalprobe.
    Nach der Übergabe mit dem Schienenfahrzeug stehen vier Ziele auf dem Flipchart:
    – Hinauszögerung neuer Geldübergaben für notwendige Spurenabklärungen
    – Schuldzuweisen für ein mögliches Scheitern vorbereiten
    – Sofortige Kontaktaufnahme nach Scheitern einer Geldübergabe anstreben
    – eine Karstadt-Allein-Legende
    Die Leute von der »Ermittlung« haben einen Hinweis bekommen, der sich später als falsch herausstellen wird, und brauchen Zeit, um ihn zu verfolgen. Deswegen sollen wir neue Geldübergaben hinauszögern. Dagobert darf kein Paket ohne Geld in die Hände bekommen – entsprechend muss Springborn schon am Telefon Bedenken äußern, mit denen wir später eine gescheiterte Übergabe erklären können. Deshalb wollen wir auch eine »sofortige Kontaktaufnahme nach Scheitern«, um sicherzugehen, dass wir Dagobert beschwichtigen und ihm den »Zugzwang« zum erneuten Bomben nehmen können. Und Punkt vier scheint uns die beste Möglichkeit, all das unter einen Hut zu bekommen: die »Karstadt-Allein-Legende«.
    Denn darin liegt eine große Chance in einem solchen Machtspiel: Wir greifen die Bedingungen des Täters auf, und nutzen sie, um selbst Kontrolle zu bekommen. Dagobert will unbedingt, dass die Polizei herausgehalten wird. Diese Rolle nehmen wir gerne an. Wenn Karstadt es unbedingt allein machen soll, muss erst der Vorstand tagen – und das braucht ein paar Tage Zeit. Den ungeschulten Geldüberbringern von Karstadt kann natürlich ein Fehler unterlaufen. Damit Dagobert trotzdem sein Paket erhält, muss er seinen Plan wohl etwas einfacher gestalten als für
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