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Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)

Titel: Warum Menschen töten: Eine Polizeipsychologin ermittelt (German Edition)
Autoren: Claudia Brockmann
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menschliches Bedürfnis, den einzigen »Vertrauten« unbewusst auch als eine Art Freund sehen zu wollen. Wenn bei einem Täter noch großes Bedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit besteht, fördert es diesen Effekt zusätzlich. Ich bin überzeugt, es ist bestimmt erleichternd für Dagobert, mit Springborn entspannt und so offen wie möglich reden zu können. Solange es uns gelingt, diese Rolle zu erfüllen, wird Dagobert wahrscheinlich keine Bombe mehr legen.
    Es wird immer häufiger gelacht. Die Gespräche werden länger. Manchmal entsteht fast ein Plauderton, der eigentlich der Situation unangemessen ist. Doch wer könnte einem so höflichen, scheinbar rücksichtsvollen und zurückhaltenden, dabei so bescheiden und zugleich verzweifelt wirkenden Menschen wie Dagobert einen Wunsch abschlagen?
    Dann geschieht etwas, was wir nicht beabsichtigt haben. Am 19. Februar 1994 ruft Dagobert an und sprudelt gleich los. »Die Geldübergabe ist vor dem Bahnhof Lichtenberg. Dort stehen fünf Telefonzellen nebeneinander, in der linken ist es befestigt.« Ich gebe Springborn aufgeregt ein Handzeichen. Er nickt nur. Er hat von selbst gemerkt, was schiefgelaufen ist.
    Eines unserer Ziele für dieses Gespräch war, die Übergabe wegen des schlechten Wetters zu verschieben, da es unmöglich ist, bei Schneegestöber einen Einsatz durchzuführen. Nun hat Dagobert bereits ein Detail seines Planes preisgegeben, bevor Springborn absagen konnte. Springborn bittet darum zu verschieben. Dagobert kündigt den nächsten Anruf an und das Gespräch ist beendet. Wir vermuten: Er wird sich betrogen fühlen.
    Die Beamten untersuchen das Versteck am Bahnhof Lichtenberg. Der Plan für die Übergabe ist wieder eine raffinierte Schnitzeljagd, die diesmal an der S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof endet. Dort hat Dagobert ein Plakat von Frank Sinatra aufgehängt, dahinter ist eine Öffnung in der Wand, gerade groß genug für das Geldpaket. Es wäre dann in einem Schacht gelandet, der zu einer Notfalltür führt. Dagobert hätte nur die Tür öffnen, das Paket packen, die Tür abschließen müssen und wäre über einen Tunnel entkommen.
    Wird er wieder bomben? Ist die Beziehung zu Springborn erschüttert oder vielleicht so stabil, dass er vorher noch einmal anruft?
    Wir setzen uns in unserem Sprecherraum vor das Flipchart und überlegen, was wir in diesem Fall tun müssen. Springborn muss den Fehler eingestehen und die Schuld auf sich nehmen. Bestimmt wird Dagobert auch mit einer Bombe drohen. Dann muss Springborn ihm klarmachen, dass Dagobert doch auch ohne Gewalt weiter Herr des Geschehens sei.
    Dagobert bombt nicht. Er marschiert zu einer Telefonzelle.
    »Als Nächstes werde ich eine Bombe hochgehen lassen.« – »Ja, das nehme ich mal so zur Kenntnis. Was führt Sie dazu, diesen Schluss zu ziehen?«, entgegnet Springborn. »Dass das ein abgekartetes Spiel war. Sie wollten mich bloß aus dem Konzept bringen.« Ich nicke Springborn zu. Es ist ein gutes Zeichen, dass Dagobert überhaupt anruft. Springborn muss ihm nur die Hand reichen.
    Springborn erzählt vom schlechten Wetter und darüber, dass die Geldboten auf der Fahrt von Hamburg nach Berlin wieder umkehren mussten. Und das Wichtigste: »Wir haben überhaupt keinen Grund, Sie nicht fair zu behandeln, denn ich sagte Ihnen ja auch schon mal, dass Sie am langen Hebel sitzen. Wir haben letztendlich das zu tun, was Sie wollen.« Ich lächele. Dagobert hakt noch ein paar Mal nach, warum die Boten denn umgedreht seien. Springborn improvisiert, die Stimmung wird gelöster. »Sie haben ja sicherlich auch bemerkt, dass ich nicht so ein Typ bin, der nun gleich wegen jedem Fehler eine Bombe legt«, sagt die Piepsstimme. Dagobert ist scheinbar zufrieden mit sich. Wir sind es auch.
    Wir kommen ihm langsam näher. Unsere Techniker haben herausgefunden, dass er seine Zeitschaltuhren bei der Elektronikkette Conrad kauft. Der Polizeiführer lässt darum alle Conrad-Filialen in Berlin überwachen. Sobald jemand eine Schaltuhr kaufen will, sollen die Verkäufer unsere Beamten informieren. Eines Tages fragt ein Mann an der Kasse nach einer Uhr. Der Verkäufer geht ins Lager und informiert von dort die Zivilbeamten. Aber als sie sich nähern, versteckt sich der Kunde hinter Regalen und flieht dann über den Lieferanteneingang. Die Beschreibung des Mannes genügt zwar nicht für ein aussagekräftiges Phantombild, aber die Beamten und der Verkäufer haben ihn zumindest gesehen. Außerdem haben wir jetzt auch
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