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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Autoren: Kurt Flasch
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Theologen widersprachen. Vor allem protestierte Ignaz von Döllinger, als der Papst seine eigene Unfehlbarkeit beschloß. Das letzte Beispiel bot 1949 Berthold Altaner: Dieser bedeutendste katholische Kenner der alten Kirchenschriftsteller widersprach der Definierbarkeit der Aufnahme Mariens in den Himmel. Sein gelehrter Artikel erschien rechtzeitig in einer angesehenen theologischen Zeitschrift; kurz darauf definierte der Papst das Dogma gleichwohl. Solche Zumutungen bin ich los.

    Meine Liste ist unvollständig. Ich könnte sie leicht verlängern. Sie beweist aber: Die Lehren des Christentums sind keineswegs in der Hauptsache tiefsinnige uralte Menschheitsweisheit oder ehrwürdige Mythen. Sie sind kein kostbares Schatzhaus ethischer Regeln jenseits aller Kritik. Es gibt dabei Unsinniges und ethisch Unhaltbares. Sie waren auch Instrumente zur Machtsicherung von Institutionen. Diese legten die Hand auf die Texte und sagten, was sie zu bedeuten haben. Das geschieht auch heute noch:
    Man lege neben die grausamen Szenen von 1 Samuel  1,15 die Auslegung, die das Zweite Vatikanische Konzil mit der dogmatischen Erklärung Dei Verbum in den Abschnitten 15 und 16 gab. Dort steht, die Bücher des Alten Testaments zeigten allen, wie der gerechte und barmherzige Gott sich zu den Menschen verhält, modos quibus Deus et misericors dominus cum hominibus agit (15) … Libri tamen veteris Testamenti integri in praeconio Evangelii assumpti (16). Sie seien gänzlich aufgenommen in die Botschaft des Evangeliums.
    Mir ist unbegreiflich, wie jemand, der 1 Samuel  15 gelesen hat, solches Zeug schreiben kann. Eine Kirchenversammlung, die so inkompetent über ihre eigenen Urkunden herumsalbadert, die so offen sich und andere täuscht, hat mir nichts zu sagen. Sie sagt, alles Alttestamentliche sei ins Neue Testament aufgenommen. Wo bleiben dann die unzähligen Rechtsvorschriften der Hebräischen Bibel? Das Alte Testament teilt sie als den Willen Gottes mit. Ich kann auch deswegen kein Christ sein, weil ich das Schmunzeln nicht unterdrücken kann, wenn ich unter den Geboten Gottes – die ja nicht nur zehn, sondern über sechshundert sind –, folgende Vorschriften als den Willen Gottes finde:
Ihr sollt euer Kopfhaar nicht rundum abschneiden. Du sollst deinen Bart nicht stutzen (Leviticus  19,27 ).
Ein Mann, der mit einer Frau während ihrer Regel schläft und ihre Scham entblößt, hat ihre Blutquelle aufgedeckt, und sie hat ihre Blutquelle entblößt; daher sollen beide aus ihrem Volk ausgemerzt werden (Leviticus  20,18 ).
    Der Herr sprach zu Moses und erklärte, wen er als Priester nicht will:
Denn keiner mit einem Gebrechen darf herantreten: kein Blinder oder Lahmer; kein im Gesicht oder am Körper Entstellter, kein Mann, der einen gebrochenen Fuß oder eine gebrochene Hand hat, keiner mit Buckel, Muskelschw- und, Augenstar, Krätze, Flechte oder Hodenquetschung (Leviticus  21,18–20 ).
    Freunde alter Mythen erhöhen oft die Tonlage, wenn sie von diesen sprechen. Sie seien daran erinnert, daß sich unter den Geboten Gottes auch diese befinden:
Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.
Jeder, der mit einem Tier verkehrt, soll mit dem Tod bestraft werden.
(Exodus  22,17–18 ).
    Keineswegs alle Gebote waren unsinnig. Aber die Perfektion göttlicher Dekrete hatten sie nicht. Kochrezepte brauchen wir nicht als Gottes Gebot:
Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen. (Exodus  23,19 ).    [70]  
    Viele Texte waren Klerikerprodukte wie die Papstfabeln des Mittelalters und Legenden der Heiligen. Es ist nicht besonders philosophisch, bei solchen Texten nicht historisch-genau hinzusehen.
    4.  Ein zweiter Durchgang
    Dies war die unvollständige Liste der Unvernunft der Christentümer. Nachdem dies klar gesagt ist, mache ich einen zweiten oder auch dritten Durchgang durch die jüdisch-christliche Tradition. Sie ist auch ein Bildersaal produktiver religiöser Erfindungen: Ein Gott, der im Stall in der Krippe liegt. Ein Gott, der die Menschen vom Himmel besuchen kommt und den sie töten. Der Geist, der in Fischer fährt und sie in allen Zungen reden macht. Ein Weltenrichter, der die zur Hölle schickt, die korrekt immer ‹Herr, Herr!› gesagt haben und der nur die aufnimmt, die Hungernden zu essen gaben. Das sind Bildideen, die dem Nachdenken bleiben. Ohne den objektivistischen Wahrheitsbegriff der Dogmatiker blühen die Metaphern auf: Seht die Lilien des Feldes … Selig, die sehen, was ihr seht (
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