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Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Titel: Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?
Autoren: Richard David Precht
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nicht, dass ’ne Fledermaus so schlau ist wie ein Affe.
Menschen können über Dinge nachdenken, die sie sehen und hören …
Also, ein Mensch kann über einen Elefanten nachdenken.
Menschen können aber auch über Sachen nachdenken, die man nicht sehen oder hören kann. Zum Beispiel kannst du darüber nachdenken, wie du dich heute im Tierpark gefühlt hast.
Ja, das kann ich, Papa.
Du kannst über Sachen nachdenken, die früher waren. Oder über Sachen, die erst in der Zukunft sein werden.
Über meinen Geburtstag zum Beispiel. Und was ich da mache …
Genau. Aber du kannst auch über Sachen nachdenken, die es gar nicht gibt oder geben wird.
Meinen tausendsten Geburtstag zum Beispiel.
Das kannst du …?
Also, zum Beispiel: Nur alte Gäste, und dann gibt es ein Essen, das es nicht gibt. Und die Welt sieht schon ganz anders aus …
So etwas denkst du dir aus?
Ja, Papa, das mache ich abends im Bett, wenn ich nicht einschlafen kann.
Und Flughunde tun dies sehr wahrscheinlich nicht. In ihrer Welt gibt es sicher keine Geburtstage mit alten Gästen. Erinnere dich mal an die Tamandua-Rüsselfische. Sie verständigen sich untereinander mit elektrischen Wellen. Knatter, Summ, Sirr … Aber was sie dabei fühlen und denken, werden wir wahrscheinlich nie wissen. Aber für die Flughunde ist es umgekehrt natürlich genauso unmöglich zu wissen, was in den Köpfen von Menschen vor sich geht …
Da haben sie bestimmt keine Ahnung.
Nein, bestimmt nicht. Ich bin auch ziemlich sicher, dass Flughunde auf etwas ganz anderes konzentriert sind als auf die Frage, was wir von ihnen halten. Wie man denkt, ist nämlich vor allen Dingen eine Frage, worauf man konzentriert ist. Flughunde interessieren sich zum Beispiel dafür, wo es im Umkreis von vielen Kilometern Obst gibt. Interessiert dich das auch so …?
Nun ja, Melonen vielleicht. Oder Erdbeeren. Aber nein, Papa, ich denke meistens an etwas anderes.
Ich zum Beispiel denke gerade daran, dass wir jetzt langsam mal nach Hause müssen. Wir haben ja noch einen weiten Weg vor uns. Und deswegen denke ich jetzt an die U-Bahn und nicht an Obst.
    Unsere fünfte philosophische Einsicht lautet:
    Jedes Tier denkt so, wie sein Gehirn es ihm erlaubt. Wer gut riechen kann, für den sind Gerüche wichtig, und wer gut sehen kann, der begreift seine Welt mit den Augen. Es gibt » Menschendinge«, und es gibt » Flughunddinge«. Was andere Lebewesen fühlen und denken, können wir nur ahnen, aber nicht wissen.
    Manchmal glauben wir Menschen, dass wir alles wüssten und so unendlich viel schlauer sind als die Tiere. Aber so perfekt, wie wir glauben, sind wir überhaupt nicht. Vieles, was Tiere erleben, können wir gar nicht wahrnehmen. Und außerdem ist es auch mit unserem Menschengehirn so, dass wir nicht immer an alles auf einmal denken können. Wir denken nämlich immer nur an etwas Bestimmtes und an anderes nicht …
    = Warum können Gorillas unsichtbar sein?

In der U-Bahn

    Warum können Gorillas unsichtbar sein?
    Wenn man aus dem Tierpark kommt, ist das immer ein merkwürdiges Gefühl. Der Park ist so groß, dass man völlig in eine andere Welt abtaucht. Aber wenn man durch den Ausgang am » Bärenschaufenster« wieder hinausgeht, dann sieht die Welt wieder ganz anders aus. Eine laute mehrspurige Straße mit sehr vielen Autos empfängt einen mit ihrem Krach. Und rundherum stehen die kalten grauen Plattenbau-Hochhäuser von Friedrichsfelde.
    Schnell gehen Oskar und ich in die U-Bahnstation und durch den langen Tunnel zum Bahnsteig. Ein paar Mosaike mit Tieren in den Fliesen des Tunnels erinnern noch an unseren Tierpark-Besuch. Doch die stärkeren Bilder sind die Bilder, die in unseren Köpfen sind. Wenn Oskar viel erlebt hat, braucht er anschließend immer eine längere Zeit, um all das Gesehene zu verarbeiten. Verträumt sitzt er auf der Bank. Und als die U-Bahn einfährt, trottet er fast mechanisch neben mir ins Abteil. Eine ganze Weile sitzen wir schweigend da, während die U-Bahn unter der langen Frankfurter Allee und später dann unter der Karl-Marx-Allee durchfährt. Rathaus Lichtenberg, Magdalenenstraße, Weberwiese … die Strecke zieht sich fast eine halbe Stunde. Und Oskar hockt die ganze Zeit neben mir in der U-Bahn, abgetaucht, voller Eindrücke und nahezu unansprechbar.
    Als wir am Hackeschen Markt aussteigen, frage ich ihn:
Hast du den Mann mit dem Fahrrad gesehen, der mit uns im Abteil war?
Hä?
Ich meine den Mann mit dem roten Hemd und dem Fahrrad.
Nein, Papa.
Wie viele Menschen waren
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