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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun
Autoren: Threes Anna
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begeben?
     
    Er will, aber er kann nicht. Das Feuer treibt ihn gnadenlos zurück. Er will kämpfen, er empfindet keine Angst, doch das sengende Inferno läßt ihm keine Chance. Die Mauer des Feuers ist geschlossen. Er hört ihre Stimme nicht mehr, aber er ist sich sicher, daß er sie gehört hat, daß sie ihn gerufen hat.
    Charlotte! ruft er, ohne zu merken, daß er sie zum ersten Mal bei ihrem Namen nennt. Charlotte, wo bist du?
    Sie treten aus der Feuerwand hervor. Er kann sie nicht erkennen. Er sieht nur einen vagen, sich bewegenden Fleck, die flimmernden Konturen von etwas, was ein Körper sein könnte.
     
    Sie stolpern hinaus. Weg vom Feuer. Weg vom Haus. Weg von der feurigen Hölle. Parvat legt Charlottes schlaffen Körper in Madans Arme und zieht sich die Schutzmaske vom Gesicht. Er sieht, wie der Mann die Frau in die Arme schließt. Sie an sich zieht. Sie küßt. Verlegen sieht der hochgewachsene Feuerwehrmann den leidenschaftlichen Zärtlichkeiten zu.
     
    Im Kleiderschrank ist es dunkel, die Tür geht nicht mehr auf, auch nicht, wenn ich dagegendrücke, ich rieche den süßen Duft von Mutters Kleidern, ich streiche über den weichen Samt, ich habe Angst, ich weiß genau, daß sie mich vergessen.
     
    Madans Beine knicken ein. Er ist am Ende seiner Kräfte. Charlottes Kopf sinkt auf seinen Schoß. Er streicht ihr mit der Hand übers Gesicht, über die gerade Nase, die roten Lippen, die langen Haare. Er weint. Aber es sind nicht seine Tränen, die auf ihr Gesicht fallen.
     
    Ich höre die Regentropfen aufs Verdeck des Kinderwagens prasseln, meine Beine sind nackt, auch meine Arme sind nicht bedeckt, ich weiß nicht, wo die anderen sind, ich bin draußen, ich bin allein, der Regen schlägt mich immer fester, es tut weh, ich kann nicht aufhören zu weinen.
     
    Über ihnen reißt der Himmel auf. Die Tropfen stürzen sich zischend in die Flammen. Sie haben keine Angst, zu Millionen lassen sie sich herabfallen, immer mehr, immer fester. Der Regen spült den Ruß von ihrem Gesicht, ihre durchscheinende Haut glänzt.
     
    Die Tränen tragen mich mit sich mit, wie in einem tosenden Fluß werde ich mitgerissen in den Dschungel, ich höre das Rauschen der Bäume, ich sehe das Blut an den Stämmen herabfließen, ich spüre die Angst der schweigenden Kolonne, die sich voranschleppt, wohin gehen sie, woher kommen sie?
     
    Er schließt die Augen und spürt wieder, wie sich Charlotte über ihn beugt. Er nimmt aufs neue ihren Duft wahr. Er hört wieder die Worte, die sie flüstert: Bleib am Leben! Sie streichelt ihm übers Haar. Er erinnert sich an den Schmerz unterm Kinn. Sie sagt, daß alles gut wird. Sie küßt ihn. Er öffnet die Augen und blinzelt. Er sieht wie durch einen Schleier, daß sie ihn anlächelt.
     
    Wir tanzen, unsere Körper berühren sich, unsere Füße lösen sich vom Boden, wir brauchen keine Worte, wir haben alles gesagt, wir haben alles gefühlt, die Einsamkeit, die Stille, die Ängste sind verschwunden.
     
    Sie sieht ihn mit großen Augen an, dann sinkt ihr Kopf zur Seite. Der zornige Blitz beleuchtet ihr gebrochenes Lächeln. Über dem Hügel grollt der Donner. Jasminduft steigt auf.

Glossar
    Aloo gobi Kartoffeln mit Blumenkohl
    Ayah einheimische Kinderfrau
    Bakschisch Almosen
    Beedie dünne indische Zigarette, in ein Blatt des Ebenholzbaumes gerollter Tabak, mit einem Faden befestigt
    Bobajee Koch
    Brew (britische Armeesprache) Tee
    Burra-peg Schnaps, gemeint ist meist Whisky
    Cane Offiziersstöckchen
    Chai-wallah Teeverkäufer
    Chapati Fladenbrot aus Gerste, Hirse und Weizen
    Chota-sahib Junior-Sahib, Sohn des Sahib
    Darsi Schneider
    Dhal Sammelname für Linsengerichte
    Dhobi der Mann, der die Wäsche wäscht
    Distinguished Service Order Kriegsverdienstorden
    Diwali Lichterfest; wichtiges Fest der Hindus
    Holi hinduistisches Frühlingsfest; u. a. überschüttet man sich dabei gegenseitig mit farbigem Pulver und farbigem Wasser
    India sindabad! lang lebe Indien!
    Kurta langes Oberhemd, von Männern getragen
    Longhi Tuch, das sich Männer um die Taille binden und das oft bis zu den Köcheln reicht; manchmal wird der Stoff zwischen den Beinen durchgezogen und hinten wieder eingesteckt
    Maharadscha Titel eines einheimischen Fürsten
    Maharani Frau des Maharadschas
    Mali Gärtner
    Masalchee Küchenhilfe, Abwascher
    Mehtar Feger
    Memsahib respektvolle Anredeform für eine Frau; Kombination von Ma’am und Sahib
    Namasté (gebräuchlicher Gruß) »ich verbeuge mich vor dir«
    Paneer indischer
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