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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun
Autoren: Threes Anna
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wieder auf«, sagt er und kann den Zorn in seiner Stimme nicht unterdrücken.
    »Aufheben? Ein Fluch läßt sich nicht aufheben.« Nun ist es die Maharani, die seufzt.
    »Dann wandel ihn ab, sag, wenn die weiße Frau stirbt, wird er glücklich.« Daß seine Frau und seine Töchter so eine Schwäche für Magie haben, ist ihm ein Graus, der Maharadscha will sich den Bart abnehmen lassen, den Kanal fertigstellen, Portwein trinken und wieder auf die Jagd gehen.
    Seine Frau schließt fromm die Augen und beginnt ein Lied zu summen, das er nie zuvor gehört hat, es klingt hoch und schrill. Dann legt sie die Hände ans Herz und blickt auf das einzige unverdeckte Gemälde im Zimmer, auf dem Madan abgebildet ist mit einem Säbel, der so groß ist wie er selbst. Sie ruft einige Wörter, die er noch nie gehört hat, zieht die Handschuhe aus und wirft sie über dem Bild an die Wand, wo sie hinter den Rahmen fallen. Sie sieht ihren Mann an und sagt: »Öffne die Fensterläden.«

1995
Rampur
     
     
     
    Weil ihre Tante es unbedingt wollte, probierte Issy das rote Kleid an. Sie verstand nicht, warum Charlotte weinte, so viele Feste gab es nicht in Rampur, und ihr Opa sang schon den ganzen Tag fröhlich vor sich hin. Sogar der Butler war, nach dem kleinen Malheur mit der Teekanne und nachdem er entdeckt hatte, daß der Schneider verschwunden war, in glänzender Stimmung. Issy selbst war schlecht gelaunt, sie hätte sich gern auch ein Kleid nähen lassen, ein ganz kurzes mit freiem Rücken, aber als Kleidungsstück für eine ältere Dame war das Kleid ihrer Tante eigentlich ganz hübsch. Also zog sie es an.
    »Behalt’s ruhig an. Ich will es nicht mehr«, sagte Charlotte und ging aus dem Zimmer.
    In dem Moment, als sie den Reißverschluß zuzog und das Kleid sich um ihren Körper schloß, hatte Issy das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen, es war, als würde der Stoff bei jedem Atemzug knapper und schnüre den Körper immer mehr ein. Sie wollte das Kleid schnell wieder ausziehen, doch der Reißverschluß ging nicht auf. Sie wand sich wie ein Aal, aber vergeblich.
    Hema, der mit dem Tee in den Salon kam, sah voller Bewunderung zu, weil er ihre Verrenkungen für einen Tanz hielt.
    »Hilf mir!« rief sie japsend. »Mach den Reißverschluß auf!«
    Hema war schockiert über die ungenierte Aufforderung des weißen Mädchens, sie konnte von ihm doch nicht erwarten, daß er den Reißverschluß ihres Kleides aufzog, er könnte dabei ja versehentlich ihre Haut berühren.
    »Jetzt hilf mir doch!« schrie sie.
    Charlotte, die in der Halle die Rufe ihrer Nichte gehört hatte, kam herein und sah das Mädchen nach Atem ringend mitten im Zimmer stehen. Sie eilte zu ihr und zog den Reißverschluß ohne Mühe auf.
    Ehe Hema sich zurückziehen konnte, hatte Issy das Kleid abgestreift und stand mit nichts als einem Slip bekleidet da.
    »Was für ein Scheißkleid!« rief sie und beförderte das Kleidungsstück mit einem Fußtritt in die Ecke.
    »Isabella!« Charlotte suchte hastig etwas, was sie ihrer Nichte überwerfen konnte.
    Hema schoß aus dem Zimmer und kippte sich dabei zum zweiten Mal an diesem Tag heißen Tee über die Hände, aber der Anblick der jungen, festen Brüste ließ ihn diesmal den Schmerz vergessen.
    Charlotte griff zu Issys T-Shirt und hielt es vor das Mädchen, bis die Tür zuschlug. »Hema ist ein Mann!« sagte sie.
    »Und ich bin eine Frau!«
    Charlotte hob das Kleid vom Boden auf und konnte nicht anders als den Stoff zu streicheln.
    »Das Kleid ist verhext«, sagte ihre Nichte in überzeugtem Ton.
    »Unsinn«, sagte sie verträumt, »es ist einfach ein Kleid.«
    »Dann zieh es doch selber an.«
    »Nein, ich gehe nicht aufs Fest.«
    »Ich rede nicht vom Fest. Ich rede von dem Kleid.«
    Charlotte fühlte die weiche Seide durch ihre Hände gleiten, in ihren heimlichen Träumen hatte sie sich so seine Haut vorgestellt. Ohne das Kleid aus der Hand zu legen, knöpfte sie ihr verschlissenes Hauskleid auf und ließ die Seide über ihren Kopf fließen. Wie Schlangen aus ihrer Haut schlüpfen, so schlüpfte Charlotte in das rote Kleid. Sie steckte die Hand in die Armöffnung und glitt in einen Raum, den sie kannte, auch der andere Arm fand von allein den Weg. Die rote Seide floß sanft über ihren Busen, ihren Bauch, ihren Rücken und ihre Hüften. Sie wußte nicht, ob es ihre Haut war, die den Stoff anzog, oder ob es die Seide war, die sie so fest umschmiegte. Es war keine zweite Haut, es war noch viel mehr, es gab ihr Kraft wie die
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