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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies
Autoren: Isaac Marion
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keuchend lösen wir uns voneinander. In meinen Augen sitzt ein tiefer, bohrender Schmerz. Julies Pupillen leuchten. Die Fasern zucken, und ihre Farbe verändert sich. Lebendiges Himmelblau verwandelt sich in zinnfarbenes Grau – aber dann bricht die Verwandlung ab, ihre Augen flackern und blitzen goldfarben wieder auf – in einemstrahlenden Sonnengelb, wie ich es noch nie zuvor bei einem menschlichen Wesen gesehen habe. Als dies geschieht, schlägt mir ein neuer Duft entgegen, er ähnelt dem der Energie der Lebenden und ist zugleich ganz anders. Er kommt von Julie, es ist ihr Duft, aber es ist auch meiner . Er strömt aus uns wie eine Pheromonexplosion, ist so kräftig, dass ich ihn beinahe sehen kann.
    »Was …«, flüstert Julie und starrt mich an, den Mund ein Stück weit offen, »… ist da gerade passiert?«
    Zum ersten Mal, seit wir uns auf diese Decke gesetzt haben, schaue ich mich um und nehme meine Umgebung wahr. Am Grund, unter uns, hat sich etwas verändert. Die Skelettarmeen rücken nicht mehr vor. Sie stehen ganz reglos da. Und so schwer sich das aus dieser Entfernung letztlich auch sagen lässt, sie alle scheinen uns anzusehen.
    »Julie!«
    Die Stimme durchbricht die unirdische Stille. Da ist Grigio, er steht vor der Luke, gerade taucht Rosso hinter ihm auf. Er atmet schwer und hat den Blick auf den General gerichtet. Nora sitzt zusammengesunken an der Luke und ist mit Handschellen an die Leiter gefesselt, die nackten Beine auf dem kalten Stahldach ausgestreckt. Ihre Waffe liegt vor Grigios Füßen, so gerade außer Reichweite.
    Grigios Kiefermuskeln scheinen zum Bersten gespannt. Als Julie sich umdreht und er ihre veränderten Augen sieht, verspannt sich sein ganzer Körper. Ich kann seine Zähne knirschen hören.
    »Colonel Rosso«, sagt er mit der dürrsten Stimme, die ich je gehört habe. »Erschießen Sie die beiden.«
    Sein Gesicht ist kreidebleich, die Haut trocken und schuppig.
    »Dad«, sagt Julie.
    »Erschießen Sie die beiden.«
    Rossos Blick wandert von Julie zu ihrem Vater. »Sir, sie ist nicht infiziert.«
    »Erschießen Sie die beiden.«
    »Sie ist nicht infiziert, Sir. Ich bin nicht mal sicher, ob der Junge infiziert ist. Sehen Sie doch ihre Augen, sie sind …«
    »Sie sind infiziert!«, brüllt Grigio. Unter den zusammengepressten Lippen kann ich die Umrisse seiner Zähne sehen. »So verbreitet sich die Infektion! So funktioniert es! Es gibt kein …« Er würgt die Worte ab, als hätte er beschlossen, genug gesagt zu haben.
    »Sir …«, sagt Rosso.
    Grigio zieht die Pistole und zielt auf seine Tochter.
    »John!« Rosso fällt Grigio in den Arm, versucht ihm die Waffe zu entreißen. Mit trainierter Präzision verdreht Grigio Rossos Handgelenk und bricht es, dann boxt er ihm hart in die Rippen. Der alte Mann fällt auf die Knie.
    »Hör auf, Dad!«, schreit Julie. Zur Antwort spannt er die Waffe und legt wieder auf sie an. Sein Gesicht ist jetzt leer und vollkommen ausdruckslos, schiere, über einen Schädel gespannte Haut.
    Da sticht Rosso ein Messer in seinen Knöchel.
    Grigio schreit nicht auf und reagiert auch sonst nicht. Doch seine Beine geben unter ihm nach, und er kippt nach hinten. Er schlittert das steile Stadiondach hinab, kugelnd und sich windend, während seine Finger auf dem glatten Stahl nach Halt suchen. Seine Waffe wirbelt an ihm vorbei, rutscht über die Kante, und beinahe stürzt er ihr nach – doch er kann sich halten. Seine Hand klammert sich an die Dachkante, der Rest baumelt über dem Abgrund.
    Ich sehe nicht mehr von ihm als weiße Fingerknöchel und sein Gesicht, starr vor Anstrengung, doch nach wie vor gespenstisch teilnahmslos.
    Julie will ihm zu Hilfe eilen, aber die Neigung ist zu steil,und sie kommt ins Rutschen. Da hockt sie, starrt ihren Vater an und kann nicht helfen.
    Etwas Sonderbares geschieht. Während Grigios knochige Hände sich noch an die Dachkante klammern, taucht ein zweiter Satz Finger auf und legt sich über seine. Doch an diesen Fingern klebt kein Fleisch. Es sind bloß trockene Knochen, vergilbt und leicht angebräunt von Staub und Alter und dem uralten Blut uralter Morde. Die Finger umfassen die Kante, graben sich in den Stahl und fördern ein grinsendes, summendes Skelett zutage.
    Es ist nicht schnell. Es macht keinen Satz und stürzt sich nicht auf uns. Es bewegt sich ungezwungen, ihm fehlt der erbarmungslose Blutdurst, der uns durch die Stadt getrieben hat. Der Verzweiflung dieser Jagd zum Trotz scheint es jetzt gar keine Eile zu
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