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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies
Autoren: Isaac Marion
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haben, meiner oder Julies habhaft zu werden. Offenbar bemerkt es uns nicht einmal. Es beugt sich nach vorn, um seine Klauen in Grigios Hemd zu verhaken, und zieht ihn auf den Dachvorsprung. Grigio versucht aufzustehen, und das Skelett zieht ihn auf die Füße.
    Grigio und das Skelett betrachten einander, ihre Gesichter sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
    »Rosy!«, brüllt Julie. »Scheiße! Erschieß es!«
    Rosso ringt nach Atem, hält sich das Handgelenk und die Rippen, zu keiner Bewegung fähig. Er sieht Julie an, um Vergebung nicht nur für dieses Versagen bittend, sondern für alles Versagen, das uns hierher gebracht hat. All die Jahre des Nichthandelns wider besseres Wissen.
    Das Skelett fasst Grigio freundlich, ja zärtlich am Arm, als wollte es ihn zum Tanz bitten. Dann zieht es ihn an sich, schaut ihm in die Augen und vergräbt die Zähne in seiner Schulter.
    Julie kreischt, alle anderen jedoch sind sprachlos. Grigio wehrt sich nicht einmal. Seine Augen sind weit aufgerissenund fiebrig, doch sein Gesicht bleibt eine ausdruckslose Maske auch noch dann, als das Wesen sich über ihn hermacht, ihm langsam, geradezu lustvoll das Fleisch vom Körper nagt. Muskelbrocken fallen durch seinen hohlen Kiefer und prallen auf das Dach.
    Ich bin wie gelähmt. In andächtigem Entsetzen starre ich Grigio und das Skelett an, versuche zu begreifen, was ich da erlebe. Die beiden haben sich an der Dachkante niedergelassen, ihre Umrisse zeichnen sich gegen einen schwelenden Himmel ab, rosa Wolken in ungesund orangefarbenem Dunst. Davor werden die beiden ununterscheidbar. Knochen, die Knochen verschlingen.
    Julie stürzt auf die Luke zu. Sie hebt Noras Waffe auf und richtet sie auf das Skelett. Endlich hebt es den Schädel, endlich nimmt es uns wahr, wirft den Kopf herum, um zu brüllen – es ist ein gewaltiger stechender Ton wie die Trompete am Ende der Zeit, eingerostet und zerbrochen und für alle Ewigkeit verstimmt.
    Julie feuert. Die ersten paar Schüsse gehen völlig fehl, dann sprengt eine Kugel eine Rippe weg, ein Schlüsselbein, einen Hüftknochen.
    »Julie.«
    Sie hält inne. Die Waffe zittert in ihrer Hand. Ihr Vater starrt sie aus leeren Augen an, während das Blut aus seinem Körper fließt. »Es tut mir leid«, murmelt er leise.
    »Stoß es weg, Dad! Wehr dich!«
    Grigio schließt die Augen und sagt: »Nein.«
    Das Skelett grinst Julie an und frisst die Kehle ihres Vaters.
    Julie schreit mit dem ganzen Kummer, aller Wut ihres verwundeten jungen Herzens und feuert noch einmal. Der Schädel der Kreatur verschwindet in einer berstenden Wolke aus Staub und Knochensplittern. Die Finger immer noch inGrigios Schulter vergraben, taumelt es rückwärts und kippt vom Dach.
    Grigio geht mit ihm.
    Sie fallen gemeinsam, eng umschlungen, und Grigios Körper bebt, krampft. Sein verbliebenes Fleisch löst sich im Wind, trockene Fetzen fliegen auf wie Asche, legen die fahlen Knochen darunter bloß, und in diesen Knochen ist eine Nachricht verborgen, die ich endlich lesen kann. Eine Warnung, die in jedes Femur, jeden Humerus, jede sich schließende Mittelhand geritzt ist:
    Dies ist die Seuche. Dies ist der Fluch. So stark wie jetzt, so tief verwurzelt und seelengierig, nicht länger bereit, auf den Tod bloß zu warten. Jetzt streckt sie die Hand aus und nimmt sich, was sie will.
    Doch heute ist eine Entscheidung getroffen worden. Wir werden nicht ausgeraubt werden. Wir werden uns an das klammern, was wir haben, ganz gleich, wie fest der Fluch daran zieht. Wir werden uns gegen ihn wehren.
    Unter uns sehen die Knochen zu, wie Grigios Überbleibsel zur Erde stürzen und zersplittern. Sie starren auf die Fragmente im Dreck, kleine weiße Splitter, kaputt und belanglos. Dann, urplötzlich, offenbar ohne Absicht oder Ziel … gehen sie los. Ein paar drehen Kreise, ein paar stoßen zusammen, und doch zerstreuen sie sich Schritt für Schritt und verschwinden zwischen Gebäuden und Bäumen. Ein kaum merklicher Schauer überläuft mich. Was für ein Signal haben sie empfangen? Dröhnt, seit dem Sturz dieser Gebeine und der seltsamen neuen Energie, die vom Dach pulst wie Wellen im Äther, in ihrem Kopf ein neuer Befehl? Die Kunde, dass ihre Zeit abgelaufen ist?
    Julie lässt die Waffe fallen. Zentimeter für Zentimeter nähert sie sich dem Rand des Daches, hockt sich hin und starrt hinab auf den Haufen aus Knochen. Ihre Augen sind rot, doch noch immer fehlen die Tränen. Das einzige Geräuschauf dem Dach macht der Wind, der an den
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