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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies
Autoren: Isaac Marion
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starr nach vorn gerichtetem Blick stolpert sie hinter mir her.
    M schnüffelt misstrauisch. Aber ich weiß, dass er genau das riecht, was auch ich rieche: gar nichts. Nur den Nicht-Geruch von totem Blut. Überall klebt es an den Wänden, unsere Kleider sind vollgesogen damit. Und sorgfältig auf dem Gesicht einer jungen Lebenden verschmiert, verbirgtes das leuchtende Leben unter seinem dunklen, überwältigenden Moschusgeruch.
    Ohne ein Wort verlassen wir das Hochhaus und machen uns auf den Weg zurück zum Flughafen. Ich bin wie betäubt, voller seltsamer und kaleidoskopischer Gedanken. Julie klammert sich kraftlos an meine Hand. Mit aufgerissenen Augen und zitternden Lippen starrt sie auf mein Profil.

Nachdem wir unsere reiche Beute bei den Nichtjägern – den Knochen, den Kindern, den Vollzeitmüttern – abgeliefert haben, führe ich Julie in mein Haus. Meine Mittoten werfen mir neugierige Blicke zu, als ich vorbeigehe. Weil es Willenskraft und Triebverzicht dazu bräuchte, kommt es fast nie zu beabsichtigten Konversionen von Lebenden. Die meisten Konversionen sind bloßer Zufall: ein fressender Zombie wird getötet oder anderweitig abgelenkt, sodass er sein Geschäft nicht zu Ende bringen kann – voro interruptus. Alle anderen Konversionen verdanken sich herkömmlichen Toden, Privatangelegenheiten wie Krankheit oder Unfall oder klassischer interlebendiger Gewalt, die außerhalb unserer Interessenssphäre liegt. Dass ich dieses Mädchen absichtlich unvertilgt mit nach Hause gebracht habe, ist also ein Mysterium, ein Wunder so groß wie die Geburt. M und die anderen lassen mir jede Menge Platz in den Hallen. Sie betrachten mich verwundert. Würden sie die ganze Wahrheit kennen, ihre Reaktionen wären … weniger moderat.
    Julies Hand umklammernd entreiße ich sie den bohrenden Blicken. Ich führe sie zu Gate 12, den Boarding-Tunnel hinab und in mein Zuhause: eine 747-Passagiermaschine.Sie ist nicht sehr geräumig, die Raumaufteilung ist nicht besonders praktisch, aber es ist der abgeschiedenste Ort auf dem ganzen Flughafen, und ich genieße die Ruhe. Manchmal kitzelt die Maschine sogar meine taube Erinnerung wach. Wenn ich mir meine Kleidung ansehe, wirke ich wie die Sorte Mensch, die viel unterwegs war. Und manchmal, wenn ich hier »schlafe«, steigt ein schwaches Gefühl von Fliegen in mir auf, aufbereitete Luft, die mir ins Gesicht bläst, der fade Ekel vor abgepackten Sandwiches. Und dann der frische zitronige Geschmack von poisson in Paris. Das Brennen der tajine in Marokko. Sind all diese Orte jetzt verschwunden? Verlassene Straßen, die Cafés voller staubbedeckter Skelette?
    Julie und ich stehen im Mittelgang und schauen uns an. Ich deute auf einen Fensterplatz und hebe die Augenbrauen. Sie lässt mich nicht aus den Augen, als sie sich rückwärts in die Sitzreihe quetscht und hinhockt. Ihre Hände klammern sich an die Armlehnen, als würde das Flugzeug gerade, wie eine Fackel lodernd, abstürzen.
    Ich setze mich auf den Platz am Gang, stöhne auf, ohne es zu wollen, und gleich fallen mir meine Memorabilia ins Auge. Jedes Mal, wenn ich in die Stadt gehe, bringe ich etwas mit. Ein Puzzle. Ein Schnapsglas. Eine Barbie. Einen Dildo. Blumen. Zeitschriften. Bücher. Ich bringe sie her, nach Hause, verstreue sie auf den Sitzen und im Gang und starre sie stundenlang an. Die Haufen reichen jetzt bis fast zur Decke. M fragt mich ständig, was das soll. Ich weiß keine Antwort darauf.
    »Nicht … fressen«, grunze ich und schaue Julie in die Augen.
    »Ich … werde nicht fressen.«
    Sie starrt mich an. Ihre Lippen sind schmal und bleich.
    Ich deute auf sie. Ich öffne den Mund und deute aufmeine schiefen, blutbefleckten Zähne. Ich schüttele den Kopf. Sie drückt sich gegen das Fenster. Ein entsetztes Wimmern entfährt ihrer Kehle. So funktioniert es nicht.
    »Sicher«, sage ich ihr und stoße einen Seufzer aus. »Bei mir … sicher.«
    Ich stehe auf und gehe zu meinem Plattenspieler. Ich wühle mich durch meine LP-Sammlung in den Gepäckfächern und ziehe ein Album heraus. Ich nehme die Kopfhörer und setze sie Julie auf. Sie ist immer noch ganz steif, die Augen weit aufgerissen.
    Die Platte läuft. Frank Sinatra. Ich kann es leise durch die Kopfhörer hören, wie eine ferne Eloge, die durch die Herbstluft weht.
    Last night … when we were young …
    Ich schließe die Augen und beuge mich vor. Mein Kopf wiegt sich leicht im Takt der Musik, während die Strophen durch die Kabine schweben und in meinen Ohren
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