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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman
Autoren: Catherine Alliott
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hätte ich den Kopf gebeugt und am Scheitel die Haare geteilt, um ihm meine grauen Haarwurzeln zu zeigen, aber das überlegte ich mir dann doch noch einmal anders.

    »Aber … warum hast du mir das nie gesagt?«
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Na ja …« Mir fiel keine Ausrede ein. »Frauen gehen damit nicht – du weißt schon – hausieren.«
    »Du wolltest nicht, dass ich denke, ich hätte mir eine alte Jungfer gekrallt. Und ich wollte nicht, dass du denkst, ich hätte nichts mit meinem Leben angefangen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, und ich habe einen Stand in der Nähe der Camden Passage. Was glaubst du wohl, was ich meine?«
    »Oh, aber …«
    »Du bist nur ein paar Jahre älter, aber du hast einen schicken Laden in Fulham, und das schon seit einer Ewigkeit. Ein richtiges Unternehmen, über das in Zeitschriften berichtet wird. Du hast ein eigenes Haus, ich habe ein gemietetes WG-Zimmer in Crouch End. Wir stammen aus sehr unterschiedlichen Familien und in meiner gibt es nichts außer einer behinderten Schwester.«
    Vor Staunen blieb mir der Mund offen stehen. »Aber du bist du!« Ich wollte noch hinzufügen: So blond und schön und witzig, wie du bist. Stattdessen stotterte ich unbeholfen: »Du bist Ivan!«
    »Und du bist du. Klug und gebildet und erfolgreich und schön – du bist Hattie. Mit adeliger Verwandtschaft in der Abbey. Meine Mum hat eine Konditorei.«
    Ich war überwältigt. Hier standen wir zwei, und jeder von uns hatte eine Menge Leichen im Keller. Und dennoch könnte ein anderer kommen und die Kellertür öffnen, einen oberflächlichen Blick hineinwerfen und sagen: Scheint in Ordnung zu sein. Die nehme ich.
    Würde er das tun? War es das, was er sagen wollte? Würde ich es tun? Und wollte er das wissen?

    Ich fühlte, wie mein Herz schneller schlug, so als wollte es davonlaufen. Aber ich hatte Angst. Ich liebte alles an diesem Mann. Ich liebte die Art, wie er sich so mühelos durchs Leben bewegte in seiner umkomplizierten, positiven Art. Dieser kleine Raum wirkte schon heller durch seine Anwesenheit. Sobald er fort wäre, würde ich mich wieder vorsichtig weitertasten und versuchen, unsichtbare Tretminen zu vermeiden und alles würde wieder schwerer werden. Ich lehnte mich gegen die Fensterbank. Er hockte auf der Lehne eines Sessels. Wir sahen uns schweigend an.
    Nach einer Weile griff ich in die Tasche.
    »Ich habe eben noch einmal deine SMS gelesen, die du mir in Frankreich geschrieben hast.«
    »Die, die du nicht beantwortet hast.«
    »Weil ich sie falsch verstanden hatte. Ein Teil davon hat gefehlt. Ich wusste nicht, was da wirklich stand.« Ich warf einen Blick darauf: »Komm zurück – du fliegst von Nizza in 1 Std. Ich fahre relaxed mit LKW — Kuss, Kuss.« Langsam hob ich den Blick. »Das hättest du für mich getan? Wärst mit dem LKW zurückgefahren, während ich geflogen wäre?«
    »Ich würde alles für dich tun, Hattie.«
    Die Worte hingen zwischen uns in der Luft. Frei schwebend. Sein Blick war klar und unverwandt.
    Und das hätte mein Augenblick sein können, den Raum zu durchqueren und mich in seine Arme zu werfen, die er sicherlich weit geöffnet hätte. Der Augenblick, wieder jemanden an mich heranzulassen. Und nicht nur irgendjemanden. Stattdessen stand ich auf und ging vorsichtig auf die Haustür zu. »Hast du schon gegessen?« Ich nahm den Mantel vom Haken ohne ihn anzusehen. Zog ihn an und öffnete die Tür.

    »Nein.«
    »Dann lass uns etwas essen. Und reden. Ich habe dir viel zu erzählen. Es gibt noch sehr Vieles, was du nicht von mir weißt, Ivan. Vielleicht hast du keine Lust mehr auch nur das Geringste für mich zu tun, wenn du das alles weißt.«
    Er stand auf: groß, blond und in meinen Augen strahlend schön. Er füllte den Raum. Er gab sich Mühe, ein ernstes Gesicht zu machen, aber um seinen Mund zuckte es. »Meine Güte, das klingt aber ernst. Fast schon bedrohlich. Ja, von mir aus, gehen wir essen, und dann kannst du mir alles über dich erzählen. Aber es würde mich überraschen, wenn es mich in irgendeiner Weise beeinflussen würde. Ich fürchte, du wirst merken, dass du mich nicht so schnell loswirst, ob du nun ein geheimer Vampir bist oder nicht.«
    Ich sah zu ihm auf, als wir in die Nacht hinaustraten. Dabei stellte ich fest, dass es mich tatsächlich auch überraschen würde, wenn er sich beeinflussen ließe. Vor der Tür straffte ich wieder die Schultern, nachdem ich die Alarmanlage an der Tür angeschaltet
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