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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman
Autoren: Catherine Alliott
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sollte. In meinem Kopf klingelte es von überallher. »Moment mal, Ivan, da ist jemand an der Tür.«
    Ärgerlich riss ich die Tür auf, und da stand er auf der Schwelle. Wir schauten einander an, jeder das Handy ans Ohr geklemmt. Dann lachten wir übermütig und steckten
sie ein. Ich trat zurück, um ihn hereinzulassen. Er war verlegen, aber ich war auch alles andere als entspannt.
    »Wo ist Ingrid?«, fragte ich, beiläufig, aber neugierig.
    »Sie ist nach Hause gegangen.«
    »Oh.«
    »Sie wohnt bei ihrer Familie in der Dawes Road.«
    »Bei ihrer Familie?«
    »Sie wurde adoptiert, bevor ich geboren wurde.«
    »Aha«, sagte ich erstaunt.
    »Du bist nicht die einzige, die Geheimnisse hat, Hattie«, verteidigte er sich.
    »Nein. Nein. Da hast du recht.« Wieder einmal spürte ich meine eigene Nichtigkeit. Ich war im allgemeinen Geschehen sehr unbedeutend.
    Sein Gesicht wurde weich. »Sie ist zehn Jahre älter als ich, und damals waren die Dinge anders. Meine Mutter war noch sehr jung. Sie schaffte es einfach nicht. Meine Eltern haben beide immer bis spätabends im Café gearbeitet. Es war eine andere Welt. Ich mache ihnen keinen Vorwurf.«
    »Nein.«
    »Aber ich bin auch nicht besonders stolz darauf.«
    »Aber … du besuchst Ingrid?«
    »Nur einmal im Monat. Wahrscheinlich nicht oft genug. «
    »Aber immerhin.«
    Es folgte Schweigen.
    »Wissen deine Eltern Bescheid?«
    »Dass ich sie besuche? Dad schon, Mum nicht. Er meint, es würde sie zu sehr verletzen. Zu sehr beschämen. «
    Ich nickte. Was für ein Zufall. Sie hatte ihre Tochter verleugnet. Ivan wusste nichts von Seffy. Aber die Parallelen
waren auffällig. Ich starrte ihn an und wandte mich dann rasch ab, ging zum Fenster hinüber. Nervös knetete ich meine Finger.
    »Ivan, auf die Gefahr hin, dass ich wie ein Privatdetektiv klinge: Diese Bilder in deiner Brieftasche, sind die von Ingrid?«
    »Nein, das ist Claudia.«
    »Claudia?« Ich drehte mich um.
    »Ja.« Er zog die Brieftasche hervor und schlug sie auf. »Sie arbeitet in der Camden Passage. Sie hat ein paar Sachen für mich in die Kamera gehalten.«
    Er hockte sich hin und breitete ein paar Fotos auf dem Sofatisch aus. Vorsichtig kam ich näher. Alle zeigten helle, neue Möbelstücke — Esche vielleicht: Stühle, kleine Tischchen, Lampenfüße und Schalen, alle im selben Stil, alle mit sehr klaren Linien. Ein paar der kleineren Stücke wurden von einer jungen Frau gehalten.
    »Hast du die gemacht?« Ich nahm eines der Fotos in die Hand.
    »Ja. Davon habe ich dir doch in Frankreich erzählt«, bemerkte er ungeduldig. »Außerdem hatte ich versucht, dich für einen uralten Granatring zu interessieren, aber, was soll’s …«, murmelte er mit einem gewissen Unterton.
    »Was?« Ich runzelte die Stirn.
    »Nichts.«
    Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
    »Ich weiß, dass du mir erzählt hast, dass du Dinge baust, aber warum hast du mir die Bilder nicht gezeigt?« Ich hatte damals nicht richtig zugehört. Hatte nur daran gedacht, dass ich so alt aussah im Vergleich zu dem Mädchen. Ich, ich, ich.
    Er zuckte die Schultern. Schob die Fotos zusammen
und stopfte sie in seine Brieftasche. »Weil sie nicht so gut sind, wie ich es gerne hätte. Noch nicht.«
    »Ich finde sie sehr gut.«
    »Das eine oder andere ist ganz okay, aber dein Maßstab ist ziemlich hoch, Hattie.«
    Überrascht blickte ich auf. Seine Stimme hatte einen leisen, anklagenden Unterton. Wollte er unterstellen, ich wäre zu kritisch?
    »Du hast jahrelange Erfahrung in dem Geschäft. Ich bin nur so ein Neuling.«
    »Hey — so viele Jahre nun auch wieder nicht!«, scherzte ich, oder versuchte es zumindest.
    »Nein, nicht so viele. Du bist neununddreißig.«
    »Ja«, sagte ich verblüfft. Ich war baff.
    »Und ich bin zweiunddreißig.«
    Ich staunte. »Zweiunddreißig? Wirklich? Ich dachte immer, du wärst viel jünger.«
    »Ich weiß.« Er sah mich unverwandt an. Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte: sein herrliches, sorgloses, kehliges Lachen. Als sein Blick wieder zu mir zurückkam, war er noch immer amüsiert. Und fragend. »Wie viel jünger dachtest du?«
    »Na ja, irgendwas in den Zwanzigern … allerhöchstens Ende zwanzig!«, gestand ich ehrlich erstaunt. Sieben Jahre. Nur sieben Jahre. Das war doch eigentlich gar nicht so viel, oder?
    Er beugte sich vor und schob sein Haar an den Schläfen zurück. »Grau – siehst du?«
    Ich linste zu ihm hinüber. »Ein bisschen. Aber du bist blond, da sieht man das kaum. Nicht wie bei mir.« Fast
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