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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde
Autoren: Maike Maja Nowak
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Tagen, und ich muss die Dorfbewohner den Weg entlang eskortieren. Am dritten Abend will Bauer Kolja, bei dem ich jeden Abend Milch hole, den Hund erschießen.
    »Das ist ein Sonderling! Der hat ’ne Macke! Der muss erschossen werden!«, schreit er aufgebracht.
    »Wir haben hier auch Menschen mit ’ner Macke. Erschießt du die auch?«, antworte ich erregt.
    Zu meiner Überraschung denkt er über dieses Argument tatsächlich nach und zuckt hilflos mit den Schultern. Mit einem Wasserglas voll Wodka kann ich das Unheil erst einmal abwenden, und er trottet mit dem Gewehr unter dem Arm wieder nach Hause. Ich verspreche ihm, in dieser Nacht eine Lösung zu finden.
    Ich schlafe nicht und hoffe, dass der Hund einfach aus Hunger irgendwann das Weite sucht. Paradoxerweise hoffe ich auch ein wenig, dass er bleibt.
    Durch den Schlafmangel werde ich dünnhäutig und widerstandslos. Am Morgen des vierten Tages spüre ich, wie sich alle vernünftigen Überlegungen, die sich in den letzten Tagen wie Ankerhaken in meiner Seele verkeilt hatten, einfach lösen.
    Ich kann den Hund nicht versorgen!
    Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt und ob ich ihn behalten kann!
    Ich will ihn nicht alleine zurücklassen müssen!
    All diese Gedanken werden plötzlich von einem Gefühl der Freude aus mir herausgespült. Ich fühle mich frei, renne durch den langen Flur, reiße die Haustür weit auf, schaue auf den Hund, und noch bevor ich etwas sagen kann, kommt er auf mich zu und läuft durch den Flur in meine Küche – in mein Leben.
    So einfach ist das, denke ich und sacke erschöpft auf einem Stuhl zusammen.
    »Und was mache ich jetzt mit dir?«, sage ich, obwohl ich mir nun ganz sicher bin, dass sich Lösungen finden werden.
    »Wanja, Wanjuscha, Wanka.« Dieser Name ist einfach da und seine Koseformen dazu.
    »Willst du etwas fressen, du Halunke?« Der Halunke steht sofort auf und schaut erwartungsvoll. Ich gebe ihm einen Topf Nudeln mit einer Fleischkonserve und Öl. Wanja taucht seinen Kopf in die Schüssel, die nach zwei Sekunden leer ist. Dann setzt er sich neben mich, und ich berühre sein dichtes Fell.

    Wanja schläft
    Mir laufen Tränen über das Gesicht. Ich bin einfach zu glücklich, um nicht zu weinen. Es ist das Gefühl einer großen Nähe zu diesem fremden Wesen, was mich berührt. Ich habe volles Vertrauen zu dem Tier.
    Nichts ist beglückender, als zu vertrauen.
    Am nächsten Tag verkünde ich im Dorf, dass Wanja mein Hund ist.
    Ich sitze vor meinem Haus. Es ist noch kalt, ich bin in ein Fell gehüllt und genieße die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings. Wanja liegt auf dem Sandweg vor mir.
    Idylle. Frieden. Ungetrübte Zweisamkeit.
    Bis ein Dorfbewohner in der Ferne auftaucht.
    Wanja hebt den Kopf und knurrt.
    »Hej!«, rufe ich.
    Er blickt sich erstaunt zu mir um.
    Ich rufe ihn heran.
    Er sieht mich ratlos an und bleibt liegen.
    Ich fertige aus einem Ledergürtel ein Halsband, um es Wanja anzulegen. So könnte ich ihn an die Leine nehmen, wenn sich ein Dorfbewohner nähert. Als ich das improvisierte Ding um seinen Hals legen will, springt er mit hochgezogenen Lefzen und einem tiefen Knurren auf. Seine Pupillen sind sehr dunkel.
    Ich rede ihm gut zu und versuche erneut, ihm das Halsband anzulegen. Seine Drohgebärde verstärkt sich. Er knurrt scharf und starrt mich offen aggressiv an. Ich spüre, dass ich bei ihm einen so empfindlichen Nerv getroffen habe, dass er beißen würde, wenn ich es noch einmal versuchen sollte.
    Ich habe verstanden. Wanja lässt sich nicht anleinen.
    Er bleibt ein freier Hund.
    Ich muss eine andere Lösung finden, damit er hier leben darf.
    Ich deponiere ein Milchkännchen mit Wasser neben dem Bänkchen vor dem Haus. Nachbar Wasja nähert sich.
    Wanja hebt den Kopf auf seinem Beobachtungsposten.
    Ich warne ihn vor Einmischungen jeglicher Art: »Hej!«
    Er schaut mich kurz an und geht Wasja dann langsam entgegen.
    Ich schnappe mir das Milchkännchen und schütte die Hälfte des Wasserinhaltes von hinten über den Hund.
    Er dreht sich verblüfft zu mir um.
    Ich lege nach: »Hej, paschol!« (»Verschwinde!«) und stampfe mit dem Fuß auf.
    Wanja geht tatsächlich zur Seite und legt sich anstandslos wieder hin.
    Nachbar Wasja und ich wohnen in einem Nebenweg. Mein Haus steht an der Ecke von Neben- und Hauptweg. Auf dem Hauptweg gibt es eine Trinkwasserpumpe, an der Wasja seine Eimer füllt. Misstrauisch blickt er auf den am Boden liegenden Wanja, als er zurückkehrt.
    Wanja rührt sich nicht. Er wirft
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