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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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beste Gelegenheit geboten zu etwas
    Neuem und Eigentümlichem. Der Zieten aus dem
    Busch, der Mann der hundert Anekdoten, die samt
    und sonders im Volksmund leben, was soll er mit
    zwei Göttinnen (einige sagen, es seien symbolische
    Figuren der Tugend und Tapferkeit), die ihn bei Leb-
    zeiten in die sicherste Verlegenheit gebracht hätten.
    Vortrefflich ist nur das Reliefportrait in weißem Mar-
    mor, das sich an dem dunkelfarbigen Aschenkruge
    des Denkmals befindet und außer einer im Schloß
    befindlichen Zieten-Silhouette sehr wahrscheinlich
    das einzige Bildnis ist, das uns den immer en face
    abgebildeten Kopf des Alten auch mal in seinem Pro-
    file zeigt. Daß dieses Profil nicht schön ist, tut nichts zur Sache.
    Alles in allem, das Marmordenkmal des alten Helden
    reicht an ihn selber nicht heran; es entspricht ihm
    nicht. Da lob ich mir im Gegensatze dazu das
    schlichte Grab, unter dem er draußen in unmittelbarer Nähe der Kirche schläft. Der Raum reichte hin für
    vier Gräber, und hier ruhen denn auch die beiden Eltern des alten Zieten, seine zweite Gemahlin (eine
    geborne von Platen) und er selbst. Das Äußere der
    vier Gräber ist wenig voneinander verschieden. Ein
    Unterbau von Backstein erhebt sich zwei Fuß hoch
    über den Rasen, auf welchem Ziegelfundamente
    dann die Sandsteinplatte ruht. Noch nichts ist verfal-
    len. Auch der gegenwärtige Besitzer empfindet, daß
    er eine historische Erbschaft angetreten hat, und

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    eifert getreulich dem schönen Vorbilde des letzten
    Wustrauer Zieten nach, dessen ganzes Leben eigent-
    lich nur ein Kultus seines berühmten Vaters war.
    1786 starb Hans Joachim von Zieten. Achtundsechzig
    Jahre später folgte ihm sein Sohn Friedrich Christian
    Emil von Zieten, achtundachtzig Jahre alt, der letzte
    Zieten aus der Linie Wustrau. Wir treten jetzt an sein Grab2). Es befindet sich unter der schon erwähnten
    schönen alten Linde, die zwischen der Kirche und
    dem leis ansteigenden Kirchhofe steht. Hinter sich
    die lange Gräberreihe der Bauern und Büdner, macht
    dies Grab den Eindruck, als habe der letzte Zieten
    noch im Tode den Platz behaupten wollen, der ihm
    gebührte, den Platz an der Front seiner Wustrauer.
    Ähnliche Gedanken beschäftigten ihn sicherlich, als
    er zehn oder zwölf Jahre vor seinem Tode dies Grab
    zu bauen begann. Ein Hünengrab. Der letzte Zieten,
    klein, wie er war, verlangte doch Raum im Tode.
    Denn er baute das Grab nicht bloß für sich, sondern
    für das Geschlecht oder den Zweig des Geschlechts, das mit ihm schlafen ging. Mit Eifer entwarf er den
    Plan und leitete den Bau. Eine Gruft wurde gegraben
    und ausgemauert und schließlich ein Riesenfeldstein,
    wie sich deren so viele auf der Wustrauer Feldmark
    vorfinden, auf das offene Grab gelegt. Am Fußende
    aber geschah die Ausmauerung nur halb, so daß
    hier, unter Einführung eines schräg laufenden Stol-
    lens, eine Art Kellerfenster gewonnen wurde, durch
    das der alte Herr in seine letzte Wohnung hineinbli-
    cken konnte. Mit Hülfe dieser Zuschrägung wurde
    denn auch später der Sarg versenkt. Als Friedrich
    Wilhelm IV. im Jahre 1844 den schon oben erwähn-

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    ten Besuch in Wustrau machte, führte ihn der Graf
    auch an die Linde, um ihm daselbst das eben fertig
    gewordene Grab zu zeigen. Der König wies auf eine
    Stelle des Riesenfeldsteins und sagte: »Zieten, der
    Stein hat einen Fehler!«, worauf der alte Herr erwi-
    derte: »Der drunter liegen wird, hat noch mehr.«
    Diese Antwort ist so ziemlich das Beste, was vom
    letzten Wustrauer Zieten auf die Nachwelt gekom-
    men ist. Einzelne andere Repliken und Urteile (zum
    Beispiel über die Schadowsche Statue sowie über
    Bücher und Bilder, deren Held sein Vater war) sind
    unbedeutend, oft ungerecht und fast immer schief.
    Er sah alles zu einseitig, zu sehr von einem bloß Zie-
    tenschen Standpunkt aus, um gerecht sein zu kön-
    nen, selbst wenn ihm ein feinerer ästhetischer Sinn
    die Möglichkeit dazu gewährt hätte. Dieser ästheti-
    sche Sinn fehlte ihm aber völlig. Selber eine Kuriosi-
    tät, bracht er es über die Kuriositätenkrämerei nie
    hinaus. Sein Witz und Humor verstiegen sich nur bis
    zur Lust an der Mystifikation. Den Altertumsfor-
    schern einen Streich zu spielen war ihm ein besonde-
    rer Genuß. Er ließ von eigens engagierten Steinmet-
    zen große Feldsteine konkav ausarbeiten, um seine
    Wustrauer Feldmark mit Hülfe dieser Steine zu ei-
    nem heidnischen Begräbnisplatz avancieren zu las-
    sen. Am Seeufer hing
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