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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
Autoren: Theodor Fontane , Gotthard Erler , Rudolf Mingau
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Folge davon war, daß ich stets in einem nicht kleinen Kreise gelebt, am liebsten jedoch, außer mit Afrikareisenden wie Barth, Schweinfurth, Nachtigall etc., mit Künstlern verkehrt habe. Nur der Sinn für Musik ist immer ein sehr geringer bei mir gewesen; am liebsten höre ich Volkslieder und Kirchengesang, dem ich in katholischen Ländern immer gern beigewohnt habe. Mit fast allen Künstlern der letzten Dezennien habe ich verkehrt, darunter von Diebitsch, Henneberg, Gustav Richter, die Meyerheims, Menzel, Knaus, Karl Becker, Bleibtreu, Spangenberg, Geselschap, so verschieden und entgegengesetzt die hier Genannten auch sein mochten. Vielleicht ein Charakterfehler. Ich tröste mich aber mit dem Spinozaschen Satze, daß die schlechten Seiten des Menschen auch zugleich seine Tugenden seien. Viel Eindruck hat auf mich der indische Spruch gemacht: ›Tu, was du willst, und du wirst es bereuen.‹«
    Soweit Gentz über sich selber. Ich möchte nach eigenen Wahrnehmungen und Erlebnissen ein paar Worte hinzufügen dürfen.
    W. Gentz ist in allem das Gegenteil von einem modernen Radaumenschen, und in gänzlicher Abwesenheit von lärmend anspruchsvoller Inszenierung seiner selbst liegt sein Wesen und sein Wert. Schon im Gespräche mit ihm zeigt sich dies; er kennt weder die »großen Worte« noch das nervös Prickelnde der Konversation. Wer das verlangt, wird nicht weit mit ihm kommen; wer indessen weiß, daß ein lange gelagerter und ruhig gewordener Rauenthaler, der's aber in sich hat, besser ist als ein moussierender Mosel, der wird Geschmack und Genuß an Gentzscher Reserviertheit und an seiner das Langsam-Mecklenburgische streifenden Vortragsweise finden. Ich kann nicht einmal behaupten, überaus häufig mit ihm verkehrt zu haben, und bin ihm doch das Anerkenntnis schuldig, unter den etwa »hundert besten Geschichten«, die mich als eiserner Bestand durchs Leben begleitet haben und noch begleiten, ein halbes Dutzend ihm dankbar anrechnen zu müssen. Und das ist sehr viel. Gleich das erste der Art, was ich schon vor beinahe zwanzig Jahren aus seinem Munde hörte, kann als ein Musterstück seiner Vortragsweise gelten, einer Weise, die mir darin zu gipfeln scheint, daß er den andern oft eine halbe Stunde lang sprechen läßt, bis er plötzlich, an einer ihm passend erscheinenden Stelle, nun seinerseits das Wort nimmt, nicht um eine gleichgültige Bemerkung oder kurze philosophische Betrachtung (darin er übrigens Meister ist), sondern um ein figurenreiches Bild einzuschieben. Er ist dann holländischer Maler mit dem Wort und malt heitere Genreszenen, die mich, in ihrer farbenfrischen Anschaulichkeit, immer an humoristische Schilderungen aus Achim von Arnim erinnert haben.
    Aber ich wollte von unserem Erzähler erzählen.
    Wir schlenderten am Tiergartenrande hin, und ich klagte – wie das jedesmal geschieht, wenn man von einer Sommerreise heimkehrt – über die jämmerlichen Essereien in den qualvoll langweiligen Hotels und wie mir immer noch das Leben in England als ein Ideal vorschwebe, wo man Ruhe habe vor Lachsmayonnaisen und Aal in Aspik und sich seinem Genuß an Hammelrippen und Seezungen immer wieder freudig hingeben könne – nur die natürlichen Gerichte hätten einen Wert.
    »Ja«, nahm jetzt Gentz das Wort, »das meine ich auch und habe das nie lebhafter empfunden als einmal in Bayern, in Tagen, wo mir das Hotelessen auch so recht zuwider war. Es traf sich, daß ich zu selber Zeit von einem reichen Patrizier, einem Enthusiasten für Bilder und Archäologisches, zum Frühstück geladen wurde, nahm denn auch an und fand bei meinem Erscheinen schon ein paar andere Gäste vor, mit denen ich mich auch bald danach in ein mit Birkenreisern dekoriertes Eßzimmer geführt sah. Die Fenster standen auf, und alles um uns her war Appetitlichkeit und Frische. Und nun denken Sie sich, was gab es da? Auf einem langen eichenen Tisch lag ein am Spieß gebratenes junges Schwein, aufgebrochen und mit kleinen Thymiansträußen ausgesteckt, was ganz reizend aussah. Wichtiger aber waren lange schmale Spitztüten, die daneben steckten und in denen sich Pfeffer und Salz befand. Nun wurde jedem von uns ein Messer gereicht, das eine ganz eigentümliche Form hatte, beinahe sichelförmig, und so bewaffnet, gingen wir in einem Gänsereihen um den Tisch herum, um, wie Jäger, das Revier abzusuchen. Sie werden sich erinnern, daß, wenn man ein Gänsegerüst abknaupelt, es kleine Höhlen und Winkel gibt, wo die eigentlichen Delikatessen
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