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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin
Autoren: Theodor Fontane , Gotthard Erler , Rudolf Mingau
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zeitgemäß, sein müsse. Ich verehre die alten Künstler im höchsten Grade, ja, finde, daß sie in ihrem Kreise so Vollendetes geleistet, daß es nicht übertroffen werden kann. Ich nenne nur die Sixtinische Madonna und die Gestalten des Phidias. Die moderne Kunst muß also andere Wege einschlagen oder andere Gebiete kultivieren, um damit konkurrieren zu können. Naturalismus – Realismus. Zum Beispiel ein Pferd wie das des ersten Napoleon auf dem winterlichen Rückzuge (von Meissonier) hat nie ein alter Maler so gut gemalt; gemütvolle und humoristische Genreszenen wie Knaus ebensowenig. Das Studium alter Kunst halte ich aber für gut, vielleicht für notwendig. Es gehört schon große Kraft dazu, die Alten so nachzuahmen, daß diese Nachahmungen daneben bestehen können. (Lenbach.) Meiner Neigung nach bin ich Idealist, und doch hat mich meine Naturbegabung nicht dazu befähigt, ideale, phantastische Gestalten und Seelenschilderungen hervorzubringen. Ich habe mich deshalb auf die pittoreske Seite der Natur beschränken müssen. Ich bin mehr Kolorist. Der Farbenzauber übt den größten Reiz auf mich aus, besonders der Tizians, der wohl auf diesem Gebiet das Vollendetste schuf. Den Stil halte ich in der Kunst für notwendig, Stil dahin aufgefaßt, daß er das Triviale, Gemeine, Alltägliche von der Kunst fernzuhalten, aus dem Darzustellenden auszuschließen habe. Stil besitzen demnach auch Rembrandt und Menzel. 1) Die Kunst soll nach Vollendung streben, soll ehrliche, gründliche Arbeit verrichten, und soweit dies die modernen ›Impressionisten‹ tun, schließe ich auch diese Richtung innerhalb der Kunst (Fr. von Uhde, Max Klinger) von der Kunst selbst nicht aus. Leider aber wenden sich auch viele junge Künstler dieser Richtung zu, die, bei unleugbarem Talent, doch nicht Energie genug haben, gründlich zu arbeiten, und zunächst nur auffallen wollen, was durch den Impressionismus und Intentionismus, dieser äußersten Linken, allerdings möglich ist.
    Es ist natürlich, daß ein Künstler das Naheliegende, das Heimatliche, das Vaterländische vollendeter als das Fremde zu schildern vermag. Sollte aber nicht, wie die Wissenschaft, so auch die Kunst dazu berechtigt sein, den ganzen Erdball in ihr Gebiet zu ziehen? Würde jede Nation für sich nur ihr Nationales in Betracht ziehen, so würde zwar dadurch auch der Erdball zur Darstellung gelangen, es müßte dann aber, wenn man sich vor Erstarrung und Enge bewahren wollte, doch immer wieder ein großartiger Kunstaustausch stattfinden, der, in der tatsächlichen Anerkennung einer Gleich- oder Mitberechtigung, dem Wesen des Nationalismus doch wieder widersprechen würde.«
    So W. Gentz über seine Kunstrichtung, Bemerkungen, denen ich, abschließend, ein paar Worte hinzufügen möchte. So gewiß Paris, seit Horace Vernets Tagen und vielleicht früher schon, reich an Orientmalern ist, so gewiß ist W. Gentz unter uns ein Unikum geblieben, derart, daß wir vielleicht keinen Künstler haben, selbst große Meister wie Menzel und Knaus nicht ausgeschlossen, mit denen wir eine so bestimmte Vorstellung verknüpfen wie mit W. Gentz. Er ist Kairo, Jerusalem, Konstantinopel, er ist Sklavenkarawane, Harem, Judenkirchhof und dazwischen Wüste mit Tempeltrümmern und Pyramiden und Fluß und See mit Pelikanen und Flamingos. Die Bilder, die davon abweichen, liegen weit zurück. Der Orient ist seine Welt und der Turban nicht bloß das Kleid, das ihn kleidet, sondern auch das Zeichen, darin er siegt. Ernst, solide, gewissenhaft wie der ganze Mann ist auch das, was er schafft; ein feiner Humor, der sein Leben durchdringt, adelt auch seine Kunst und heimelt uns daraus an. Er gehört zu den nicht vielen, an denen man sich ermutigen darf, und wenn ich im Streit mit den Verurteilern unserer Zeit aufgefordert werde, Namen zu nennen und den Beweis zu führen für meine günstigere Meinung, so nenne ich auch Wilhelm Gentz und freue mich der Landsmannschaft und daß ich Wand an Wand mit ihm geboren wurde.
     
    Diese biographische Skizze wurde 1889 auf 1890 geschrieben. W. Gentz war damals siebenundsechzig Jahr, und seine feste und erprobte Gesundheit schien ihm noch eine Reihe von Jahren zu versprechen. Es war aber anders beschlossen. Genau um die vorgenannte Zeit (Winter 89 und 90) begab er sich mit Frau und Sohn nach Tunis und Tripolis, wo er sich, mit jugendlichem Feuereifer, rastloser und angestrengtester Tätigkeit hingab. Diese rastlose Tätigkeit und mehr noch der plötzliche
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