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Wandel

Wandel

Titel: Wandel
Autoren: Jim Butcher
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an seine Knarre. Er war gut im Umgang mit Schusswaffen. Am Abend meines Duells mit einem Vampir des Roten Hofs namens Ortega hatte Martin besagtem Vampir eine Ladung aus einem dieser riesen Scharfschützengewehre in den Leib gejagt. Zugegeben – eine halbe Sekunde später, und Ortega hätte mich geext. Aber Martins Schuss hatte eine schwerwiegende Verletzung des Duellkodexes dargestellt, des Regelwerks, das bestimmte, wie persönliche Konflikte zwischen Individuen aus Nationen, die das Unseelie-Abkommen unterzeichnet hatten, ablaufen sollten.
    Der Ausgang eines sauberen Duells hätte das frühe Ende des Kriegs zwischen dem Roten Hof und dem Weißen Rat der Magie bedeutet und einer Menge Leuten das Leben retten können. Nach Martins Schuss war alles ganz anders gelaufen.
    „Im Grunde brauchst du dir keine grauen Haare wachsen zu lassen“, fuhr ich fort. „Ortega wollte selbst gegen den Duellkodex verstoßen – die Sache wäre ohnehin so ausgegangen, egal was du in dieser Nacht getan hast, und dass du da warst, bedeutete, dass Ortega in letzter Sekunde eine Kugel zu schlucken bekam und nicht ich. Du hast mir das Leben gerettet. Das erkenne ich an.“
    Das Pseudolächeln klebte mir immer noch im Gesicht, fühlte sich aber nicht mehr richtig strahlend an, weswegen ich mir Mühe gab, es aufzupolieren. „Aber wenn du dein Ziel hättest erreichen können, indem du mir eine Kugel in den Rücken jagst, statt ihm in die Brust, hättest du es ohne mit der Wimper zu zucken getan. Auch das erkenne ich an, auch das ist mir klar. Denk bloß nicht, wir wären dicke Kumpel.“
    Wieder streifte mich Martin mit einem kurzen Seitenblick, schien sich dann aber zu entspannen. Er sagte: „Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass du, der Feuerkopf des Weißen Rats, sofort die selbstgerechte Haltung eines Moralapostels einnimmst.“
    „Bitte?“, fragte ich leise.
    Martin formulierte seine Sätze gleichmütig, aber hinter seinen Worten glomm ein gewisses Feuer. Es war das erste Mal, dass ich eine solche Gefühlsregung an ihm wahrnahm. „Auch ich sah Kinder sterben, hingeschlachtet wie Tiere, und zwar von einer Macht, für die sich niemand in eurem ach so weisen und mächtigen Rat auch nur die Bohne zu interessieren scheint – weil die Opfer arm sind und weit weg. Ist das nicht ein feiner Grund, sie einfach zugrunde gehen zu lassen? Ja, wenn ich dir eine Kugel in den Rücken hätte jagen müssen, um dafür zu sorgen, dass der Weiße Rat seine Truppen wieder gegen den Roten Hof ins Feld schickt, dann hätte ich das gern auch gleich zweimal getan und noch dafür bezahlt, der Schütze sein zu dürfen.“ Er hielt an einem Stoppschild, sah mich direkt an und sagte: „Damit wäre das geklärt. Es ist gut, dass wir uns unterhalten haben. Möchtest du noch etwas sagen?“
    Ich musterte den Mann neben mir am Steuer mit Widerwillen. „Du hast dir die Haare blond gefärbt. Sieht schwul aus.“
    Martin zuckte ungerührt die Achseln. „Mein letzter Auftrag führte mich auf ein Kreuzfahrtschiff, das sich genau auf diese Zielgruppe spezialisiert hatte.“
    Ich schaute finster und warf Susan einen raschen Blick zu.
    Sie nickte. „Das stimmt.“
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und starrte in die Nacht. „Ich habe Leute umgelegt, die mir sympathischer waren als du, Martin. Das kannst du ruhig wörtlich nehmen. Sind wir bald da?“
    Martin lenkte den Wagen an den Straßenrand vor einem Bürohaus. „Hier ist es.“
    Ich besah mir das Gebäude. Nichts Außergewöhnliches für Chicago: zwölf Stockwerke, alles ein bisschen heruntergekommen. Ein ganz normales Bürogebäude. Trotzdem haute mich der Anblick um. „Die Roten können unmöglich …“, sagte ich fassungslos. „Hört mal, das kann nicht sein. Mein Büro ist in dem Haus hier!“
    „Wie sich allgemein herumgesprochen haben dürfte, hat die Unternehmenssparte des Roten Hofs das Haus vor fast acht Jahren erworben.“ Martin schaltete das Automatikgetriebe des Mietwagens auf Parken und zog die Handbremse an. „Ich nehme mal an, du erinnerst dich noch an die erhebliche Mieterhöhung, die sie euch damals aufgebrummt haben?“
    „Ich …“ Immer noch fassungslos musste ich ein paar Mal blinzeln. „Ich habe meine Miete an den Roten Hof bezahlt?“
    „Erhöhte Miete“, sagte Martin mit leichtem Nachdruck. „Herzogin Arianna hat offenbar einen schrägen Sinn für Humor. Wenn dich das tröstet: Die Leute, die dort für den Roten Hof arbeiten, ahnen nicht, wer ihr wirklicher
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