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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag
Autoren: Annett Groeschner
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keine Zeit mehr, einen Mucks zu machen, er liegt platt auf der Straße. Der Wasserwerfer hat den Zusammenstoß gar nicht bemerkt und entfernt sich. Stalin hat Schaum vor dem Mund, ein quittengelbes Rinnsal läuft an seinem Schwanz entlang. Frau Menzinger hält immer noch stumm die Leine in der Hand, die straff bis zum Hals des Hundes reicht, es sieht aus, als wolle sie verhindern, dass die Seele Stalins wegfliegt in den Hundehimmel oder wohin auch immer. )
    Gerda : Wir müssen die Polizei rufen.
    ( Trude Menzinger starrt sie an, als hätte sie ’n Piep. Es gesellen sich eine Menge Leute dazu und starren auf den toten Hund Die Leine versperrt den Polizeifahrzeugen den Weg. Die Wagen stauen sich an der Eberswalder Ecke Oderberger .)
    Trude : Was mach ich denn jetzt? Ich kann doch Stalin nicht so einfach nach Hause tragen, der wiegt bestimmt dreißig Kilo. Und was mach ich dann mit ihm?

    (Einer der Umstehenden sagt »Müllabfuhr«, und er kann von Glück reden, dass er danach gleich in der Menge verschwindet ehe die fliegenden Fäuste ihn treffen. Es sind eine Menge Hundefreunde um Frau Menzinger versammelt. Inzwischen sind auch andere Hunde da und beschnuppern ihren platt gewalzten Artgenossen. Alex bahnt sich einen Weg durch die Menge.)
    Alex : Ich erledige das, Frau Menzinger.
    (Trude Menzinger weint jetzt und nickt nur. Alex nimmt ihr die Leine aus der Hand, rollt sie auf und löst sie vom Hund. Dann steckt er die Hundeleiche in seinen Rucksack und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist. Vor Trude Menzinger positioniert sich ein Polizist in Kampfuniform .)
    Polizist: Den Ausweis mal bitte.
    Ilse (empört): Det jibt’s ja ja nich. Spinnen Sie?
    Trude : Ick zeig Ihnen doch meinen Ausweis nich. Ick ruf mein Anwalt an.
    Polizist : Ich verhafte Sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.
    Trude : Fassen Se mich nich an, Sie Lümmel. Det jibt’s doch wohl nicht. Fahrn mein armen Hund um, und jetzte soll ick ins Polizeiauto. Habt se woll nich mehr alle. Blödköppe. Ich will ’n Anwalt.
    ( Der Polizist packt Trude Menzinger unsanft am Arm und zieht sie in die Oderberger Straße. Gerda Schweickert und Ilse Köhnke folgen zeternd.)

23.58 Uhr
Sugar und Cakes springen übers Feuer
    Sugar und Cakes nehmen am Hügel Anlauf und springen mit ihren Besen über das letzte noch nicht erloschene Feuer. Dabei kreischen sie: »Es lacht der Mai! /Der Wald ist frei/von Eis und Reifgehänge./Der Schnee ist fort;/am grünen Ort/erschallen Lustgesänge. / Ein reiner Schnee/liegt auf der Höh’; doch eilen wir nach oben, /begehn den alten heil’gen Brauch./Hinauf? Hinauf /Allmutter dort zu loben. /So wird das Herz erhoben.«
    Nach dem siebenten Absprung werden sie von Alex mitten im Flug aufgefangen und in den Rucksack gesteckt. Dort zappeln sie und betteln: »Lass uns raus, Alex, wir küssen dir auch deine Füße.« – »Papperlapapp, Schluss für heute. Und außerdem heißt es Allvater.«

23.59 Uhr
Annja Kobe trifft im Funkstreifenwagen auf ihre neue Identität
    Der Polizist sitzt im Funkstreifenwagen am anderen Ende der Oderberger und überprüft die Papiere der vorläufig verhafteten Frau, deren Personaldokument auf den Namen Katrin Manzke ausgestellt ist. Der Polizist schaut ihr in die Augen, aber ihm will die Täuschung nicht auffallen. Bis die Tür aufgeht und die Nächste unsanft in das Auto und auf die Bank neben Annja Kobe alias Katrin Manzke gestoßen wird.
    Sie gibt ebenfalls an, auf den Namen Katrin Manzke zu hören, behauptet allerdings, nicht im Besitz gültiger Papiere zu sein, da die ihr mitsamt ihrer Brieftasche heute im Hochhaus Frankfurter Allee Ecke Möllendorffstraße entwendet worden seien, offenbar von der im Polizeiauto anwesenden Person zum Zwecke der Persönlichkeitserschleichung oder was immer es da für einen Fachbegriff gebe. Diese Person sei, so erinnert Katrin Manzke sich, heute Morgen ganz sicher noch blond gewesen.
    Die Polizei fragt abwechselnd die Daten ab, die eine das Geburtsdatum, die andere die Adresse. Keine Fehler. Bei der Frage nach den Namen von Kindern rät die Kobe, hält sich außerdem auch für ledig. Katrin Manzke kichert: »Das sollten Sie mal schleunigst überprüfen.« Sie hingegen rattert Name und Adresse der Eltern (»Vater Friedhof«) so schnell runter, dass Annja Kobe es sich nicht merken kann. Soll sie ja auch nicht.
    Die Polizisten schicken sich an, die Angaben zu überprüfen, aber dafür müssen sie nach vorne zu ihrem Funkgerät. Sie schließen ab, feixen,
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