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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
Autoren: Walloth
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versprochen, Mama, daß ich sie auf deine Kosten herausgeben darf?«
    »Gern, gern, mein Sohn,« sagte sie achtungsvoll. »Meinen letzten Heller wende ich daran, dir zum verdienten Erfolg zu verhelfen.«
    »Die Lieder sind mir gelungen,« fuhr der ›Gott‹, sich selbst anbetend, fort. »Zwar dem Papa gefallen sie nicht; doch das ist gerade die beste Kritik, – der Arme steht noch bei Mozart . . .«
    Er hatte die letzten Worte mit unnachahmlich mitleidiger Verachtung ausgesprochen. Die Frau Direktor setzte hinzu: »Er hat sich mit seinem besten Freund überworfen, weil der Beethoven über Mozart stellte . . .«
    »Und dabei weiß ich,« warf Karl ärgerlich dazwischen, »daß er im Grund viele Stellen aus dem Lohengrin, sobald ich sie spiele, sehr gern hört. Es ist der reinste Widerspruchsgeist von ihm.«
    »Ja, Kinder,« bestätigte die Mutter, »er besitzt einen gewissen germanischen Starrsinn und – Neid! Bismarck sagt einmal, der Neid sei das deutsche Nationallaster! Der Vater, der in der Jugend »Das Wunderkind« hieß, ärgert sich im Stillen darüber, daß er kein Wundermann, sondern ein ziemlich gewöhnlicher Sterblicher geworden. Nun läßt er seinen schulmeisterlichen Zorn an jedem aus, der mehr Talent hat als er.«
    »Das ist richtig,« fiel Karl ein. »An allem nörgelt er herum. Sein Haß auf Fräulein Emma Dorn ist auch – Neid!«
    »Ganz gewiß!« rief Frau Katharina. »Kann man denn mit ihm irgend ein Kunstwerk, eine Theatervorstellung sehen, eine Musik hören, ohne daß er darüber schimpft? Nur seine alten Griechen sind unfehlbar. Dabei kämpft er in der Politik für Freiheit, – im eignen Haus ist er Tyrann. Kinder, ihr wißt nicht, was ich mit dem Mann schon ausgestanden hab. Unsre Ehe . . .! nun ich will vor euch nicht klagen, – ihr sehts ja leider selbst.«
    Karl trat zu der beinahe in Tränen Ausbrechenden hin und sagte mit naivem Schmerzausbruch: »Du glaubst gar nicht, Mama, wie mirs das Leben verbittert, daß ihr gar nicht miteinander auskommt.«
    Katharina umarmte ihn. »Mein armes Kind,« schluchzte sie, »ich kenne dein tiefes Gemüt, das hast du von mir. Gott! du hast ja recht. Es muß da eine Änderung geben, so kanns nicht weitergehen. Ich bin ja nicht schuld an diesen ewigen Zerwürfnissen!«
    »Erlaub, Mama,« ließ Karl zaghaft einfließen; »ich meine . . . verzeih . . .«
    Sie sah ihn erstaunt an und fragte: »Wie?«
    »Ich meine,« fuhr er leise fort, »es könnt mancher Zwist vermieden werden, wenn . . . . du ihm ein wenig entgegenkämst . . . in der Haushaltung . . .?«
    Ihre Miene verdüsterte sich. »Ja, was ist denn?« fragte sie; »entbehrt er denn etwas? entbehrst du etwas? Bin ich nicht sparsam? praktisch? pünktlich?«
    »Nun ja, nun ja,« beeilte sich der Sohn die Beleidigte zu besänftigen. »Du bist ja eine so geistig hochstehende Frau, – deine Götheforschungen werden dich gewiß einst noch berühmt machen . . .«
    Ihre Züge verklärten sich. »Er tadelt meine Anschaffungen,« rechtfertigte sie sich. »Sie kommen aber dem Haushalt zugut; wir sind jetzt auf dreißig Jahre mit Regenschirmen versorgt, auf zwölf Jahre mit Gummischuhen, auf zehn Jahre mit Zündhölzchen. O, ich bin ein ökonomisches Genie . . . etwa nicht?«
    Die beiden Söhne sagten weder ja noch nein. Der Schriftsteller, Sänger und Komponist schüttelte seine blonden Schmachtlocken und zog sich mit fürnehmer Leidensmiene an den Flügel zurück, auf dem er »neue« Akkorde suchte, der geniale Gymnasiast, der vor dem Maturitätsexamen stand, folgte seinem Vater ins Gymnasium und die Frau Direktor begrub ihre rötlich angehauchte Habichtsnase in die Hefte ihrer Götheforschungen, während das unbeaufsichtigte Dienstmädchen in der Küche nach Gutdünken schaltete, d. h. einen ungenießbaren ›Fraß‹ zusammenpantschte.

    2.
    Der Direktor benutzte, wie immer, die elektrische Trambahn, wußte aber zwischen sich und den übrigen Fahrgästen durch sein würdevolles Benehmen eine solch hohe geistige Scheidewand zu errichten, daß keiner es wagte ihn anzureden. Er konnte es nie vergessen, daß er einst ›Das Wunderkind‹ gewesen war. Traf er einen Bekannten, so überschüttete er ihn mit einem Schwall wohlgesetzter Redensarten, in der Meinung, daß der Hörer die Quantität für die Qualität nehmend, ihn für einen eminent geistreichen Kopf halten müsse. Gewaltsam schlug er sich jetzt die Erinnerung an sein trauriges Familienleben aus dem Sinn und grübelte,
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