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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
Autoren: Walloth
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leuchten zu lassen, ließ er sich nicht entgehen, immer wieder fiel er über die 24 Regenschirme her.
    »Jetzt hör mal endlich auf,« unterbrach Katharina seinen klassischen Redestrom. »Schau durchs Fenster, – es regnet. Nimm dir nur gleich einen neuen von den 24 Schirmen, dein alter ist fadenscheinig.«
    Den Direktor brachte diese Ruhe vollends auf. »Laß dein Geschreibsel!« schrie er. »Marsch in die Küche! Man will was Ordentliches zu essen – wenn heute das Mittagessen wieder erst um 2 Uhr fertig ist, eß ich im Wirtshaus.«
    »Mein Gott,« verteidigte sich die Götheforscherin, »lebst du denn um zu essen? Wenn der Mensch nur was im Magen hat . . .«
    »Ich will was Ordentliches im Magen haben oder gar nichts!« tobte der große Pädagoge.
    »Dann lieber gar nichts. Du bist zu materiell, du bist kein Geistmensch . . .«
    »Lieber will ich einer von deinen 24 Regenschirmen sein als dies Leben länger aushalten!«
    »Du hast es so lange ausgehalten, bist alt dabei geworden und gesund geblieben.«
    »Wie dem nun auch sei, – Tatsache ist: man will Ordnung in seinem Haushalt! Neulich hast du ebenso einen pathologischen Streich verübt –: zwei Dutzend Gummischuhe angeschafft. Vor drei Monaten warens tausend Zündholzpakete. Wo soll das hinaus?«
    »Und,« rief Frau Katharina, »da sagt der Mann, ich verstehe nichts von Haushaltung! Er weiß gar nicht, welche Perle er an mir besitzt?«
    »O, du kostbare Perle!« höhnte der Direktor, sich vor seiner Frau mit burlesker Grazie verbeugend, »wenn du mir nur nie gestohlen wirst! Ich verdanke dir ja so herrliche Stunden! Du wirst auch noch einmal eine berühmte Frau werden und meinen Namen verewigen.«
    »Jedenfalls,« versetzte sie kühl, »hast du mehr Aussicht durch mich berühmt zu werden, als ich durch dich! Was hab ich, als ich Braut war, für Hoffnungen auf dich gesetzt. In der ganzen Vorstadt A . . . . hießest du nur das Wunderkind; dein Vater, der Schulrat, glaubte, du würdest ein wahrer Himmelstürmer . . . . Weißt du noch, wie du mir dein Drama »Die Hohenstaufen« überreichtest? Du selbst warst am entzücktesten davon. Du rühmtest den Adel der Sprache! Die Kritik nannte es: ein echtes Oberlehrer-Drama, ohne Handlung, ohne Charakteristik, mit schwulstigen Phrasen aufgedonnert. Ich glaubte damals als Siebzehnjährige einen großen Poeten in dir zu lieben; aber aus dem großen Poeten ward nur ein kleiner Schultyrann.«
    »Und nun glaubst du,« verteidigte er sich, innerlich kochend, »du müßtest meine litterarische Ehre retten? Wenn ich auch kein großer Poet geworden bin,– man ist ein Pädagoge geworden, den die Regierung hochschätzt . . .«
    »Ein großer Pädagog,« höhnte sie, »der seine eigenen Kinder nicht zu erziehen versteht.«
    »Wenn sie der Mutter nachschlagen,« gab er ihren Hieb zurück, »kann sie der Teufel erziehen. Deine Kinder sinds leider, in jeder Beziehung.«
    »Ich bin stolz auf solche Kinder,« widersprach sie. »Weißt du, was unser Karl gestern in sein Tagebuch geschrieben hat?«
    »Nun?«
    »Eine geniale Bemerkung!«
    »Will ich gar nicht wissen!«
    »Die Schullehrer,« sagte sie scharf, »sind es meistens deshalb geworden, weil sie Etwas zu sagen haben, was für die Erwachsnen zu dumm, für die Kinder zu gescheidt ist.«
    Der Direktor mußte unwillkürlich lächeln. Dieser Ausdruck seines Sohnes versöhnte ihn wieder ein wenig mit dessen Eigenart. Er war ja im Grund stolz auf die Talente dieses Kindes, – aber er wollte sich ums Himmels willen nicht merken lassen, daß er seinen Karl liebte, ja bewunderte. Er zeigte ihm stets die strenge Magistermiene, die ihm der Sohn mit einer noch kälteren Maske erwiderte.
    »Karl,« sagte er streng, »könnte auch was Besseres in sein Tagebuch schreiben. Unsinn! Was will man damit sagen? Der unreife Schlingel soll erst was lernen. Er ist gerade so abnorm wie du.«
    »Diese Abnormität,« erwiderte sie, »laß ich auf mir sitzen. Bei Karl hat sie sich in Genialität verwandelt. Du wirst noch staunend zu deinem Sohn emporblicken.«
    »Wo bleibt er denn nur mit seiner verwünschten Kritik?« rief er. In diesem Augenblick trat Karl, zum Gang ins Gymnasium gerüstet, ins Zimmer und überreichte dem Vater das gelbe Heft. Der Direktor überflog die Kritik.
    »Sehr bissig!« sagte er dann entsetzt. »Sie strotzt von beleidigenden Ausdrücken – dieser Zionswächter – dieser David, der nach seiner Bathseba schmachtet – frömmelndes Gekrähe eines brünstig
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