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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Autoren: Walloth
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sie, wenn auch nicht Worte, so doch Seufzer, Tränen.
    »Gefunden,« hauchte sie.
    »Mein auf immer,« hörte sie den Mund, der auf dem ihren ruhte, lispeln. Asso hatte die Erkennung der beiden Liebenden betrachtet wie eine Hyäne, der man den Raub entrissen. Nicht Verlegenheit, nicht Schrecken drückten sich in diesen eisernen Zügen aus, eher Verachtung. Menes legte das Mädchen, das sich kaum erholen konnte von der Überschwenglichkeit dieses Glückes, sanft in die Arme Hadsas, an deren Brust es in ein krampfhaftes Weinen ausbrach, und trat mit ruhigen Schritten seiner Mutter entgegen. Eine Zeitlang betrachtete er sie mit Blicken unaussprechlichen Schmerzes. Allmählich aber, als er sah, daß sein Schmerz auf die Mutter keinen Eindruck machte, sie im Gegenteil ihn herausfordernd musterte, nahmen seine Züge einen ruhigen, kalten Ausdruck an.
    »Mutter,« sagte er mit dumpfer Stimme, der man deutlich anhörte, wie sehr sie bemüht war, das innere Seelenweh hinter Gleichmütigkeit zu verbergen, »Mutter, was hast du getan!«
    Asso schwieg, sie sah stolz dem Sohn ins Auge, ihre Hand machte eine zuckende Bewegung.
    »Was hast du getan!« rief der Sohn noch einmal. »Ich habe alles erfahren – wie habe ich mich in dir getäuscht. Oh! oh!« seufzte er dann auf, »ich sagte: Mutter! diesen Namen verdienst du nicht mehr. Nein! du verdienst ihn nicht mehr.«
    Im hintersten Winkel von Assos Auge leuchtete es auf wie eine bange Überraschung.
    »Nein,« fuhr Menes fort, sich nun ganz seinem Schmerz überlassend, »du verdienst diesen Namen nicht mehr, und ich kann dir nicht ausdrücken, welchen Schmerz ich empfinde, da ich dies aussprechen muß. Ich hoffte darauf, daß du mir eine treue Ratgeberin würdest, ich hoffte auf deine wahre Liebe – damit ist es nun vorbei. Du hast keinen Sohn mehr, und weh mir, daß ich keine Mutter mehr habe. Doch lieber keine Mutter mehr haben, als eine solche, die den Sohn hintergeht. Und wie hintergeht! O ihr Götter! Hättest du mir dies alles zugefügt, was du diesem armen, unglücklichen, hilflosen Wesen getan, ich hätte dir verziehen, ich hätte überwunden, so aber hinter meinem Rücken diese zarte Seele peinigen, von der du wußtest, daß sie an mich gekettet ist mit allen Banden der Zärtlichkeit – das ist zuviel, das kann nur ein unmenschliches Wesen begehen, das kann ich dir nicht verleihen! In ihr hast du mich doppelt und dreifach gemartert, mich beleidigt, so tief beleidigt, daß, wärst du mir nicht von den Göttern zur Erzeugerin gegeben worden – daß ich – ja! es sei herausgesagt – mich nicht zurückhalten würde, dir diesen Dolch durch das arge, unmütterliche Herz zu stoßen.«
    Außer sich warf er ihr die Waffe zu Füßen, daß der Kies aufflog. Die Witwe packte, von den Worten ihres Sohnes getroffen, ihr Kleid und verwickelte ihre Faust in seine Falten; über ihre Züge glitt es finster, ihre Lippen bebten und es war, als ob sie den Eindruck dieser Worte abschütteln wollte. Dann drehte sie sich langsam um. Ein häßliches Lächeln umspielte ihre Lippen.
    »Oh, ein guter Sohn!« kam es aus ihrer keuchenden Brust, »der seine Mutter töten möchte! Tue es doch! Was hält dich ab! Durchstoße diese Brust, die dich genährt, die dich liebt, ja liebt, trotz alledem, was sie dir angetan!«
    »Mich liebt?« schrie Menes, ohne sich länger beherrschen zu können. »Kannst du nie, auch in diesem Augenblick, nicht aufhören zu heucheln?«
    »Und fragst du nicht danach, warum ich dies getan?« sagte sie, fast ohne den Mund zu öffnen. »Du tadelst mich? Du tadelst mich und weiter nichts. Du bedenkst nicht, daß ich vielleicht auch Lob verdiene.«
    »Lob?«
    »Ja! Lob!« fuhr Asso fort, deren harte Stimme zu zittern begann. »Ich war grausam, ich hielt es für meine Pflicht, grausam zu sein. So, wie ich handelte, war gut gehandelt, ich handelte so, weil ich dich liebte. Ja! schüttele den Kopf – liebte –! und –« ihr Ton ward nun so trotzig, daß Menes erschrak – »und ich würde wieder so gehandelt haben, wenn sich mir die Gelegenheit geboten und die Umstände es gefordert. Du bist ein Undankbarer,« rief sie dann, als Menes sie unterbrechen wollte. »Ein Sohn, der seine Mutter nicht versteht, ein Sohn, der seiner Mutter nicht würdig, ein kleinlicher Sohn, dessen niedriger Geist sich nicht aufzuschwingen vermag aus seinen erbärmlichen Zwecken, verächtlichen Zielen. Gut! nimm diese elende Jüdin zum Weib, beschließe dein Leben in Dunkelheit, hege sie, pflege
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