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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Autoren: Walloth
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ein feuriges, marmornes Riesenschiff stand der Palast in dem grünwogenden Blättermeer des Gartens, berauschende Düfte umwehten zärtlich die Liebenden und ein erwachender Vogel grüßte sie mit seinem ersten Lied. Der Mond aber nahm milden Blickes von ihnen Abschied. Wie zitterte der Teich im fröstelnden Morgenwind, wie brannte der Palast, wie hold schlossen die Sterne die Augen, wie flüsterten die Zweige! Es ward den beiden so seltsam zumut, sie wollten doch lächeln und mußten weinen, ihr Blick ward tiefer und ihre Küsse glühten bedeutungsvoller. Und sieh! wer tritt dort aus dem Laubgang, begleitet von seinem reichen Gefolge? Wer winkt, daß die Trompeten schmettern? Es ist König Ramses, der Sohn der Sonne: die Strahlen seines Vaters umleuchten ihn triumphierend. Er schreitet auf den trunkenen Menes zu, er überreicht ihm eine Papyrusrolle; Menes betrachtet erst Myrrah, dann den König, er sieht, wie der König Myrrah umarmt und sie feierlich vor dem ganzen Hofe seine Tochter nennt. »Ja! Tochter!« spricht er, »also will es mein großer verstorbener Vater Seti der Erste, also hatte er es dieser Rolle anvertraut, die wir der Hand eines Verbrechers entrissen; Myrrah, so sagt dies Dokument, war meines großen Vaters Kind, und jetzt ist sie das meine!«
    Und die Großen des Reiches verneigen sich vor ihr, und die Trompeten und Trommeln und Harfen stimmen an den Hymnus der Liebe, der menschenbeglückenden, weltbezwingenden Liebe und alle schreiten ergriffen zum Tempel, dessen säulenprächtiges Innere sich majestätisch vor ihnen auftut.
    *           *
*
    Dort aber, fern auf dem blitzenden Nile rauscht ein vergoldetes Boot gen Memphis. Eine schöne, mädchenhafte Gestalt lehnt sich über Bord, ihr Blick sucht sehnsüchtig den Palast des Ramses, ihr Ohr lauscht den Trompeten, die von dort herüberschmettern.
    »Wie bist du glücklich, o Königskind,« singen ihre Sklavinnen, sie umtanzend, »du fliegst von Stadt zu Stadt, dir huldigen die Töchter Ägyptens, dir neigen sich die Palmen, die Pyramiden, dein Fuß wird bald die heilige Oase Amun betreten, wo du von nun an deinen Träumen leben kannst! Wie bist du glücklich, o Königskind! Dein Schmuck ist von Gold und edlen Perlen, dich lobt Isis, die Wunderbare, dir dienen schöne Sklavinnen, dir sind in Liebe geneigt die jungen Männer deines Volkes. Ja! in Liebe! in Liebe, und dein Grabmal ist reich bemalt, tief und verschwiegen! ja, du bist glücklich!«
    Aber aus den Augen des Königskindes rollt eine Träne in den aufrauschenden Nil und ihre Arme ringt sie nach Theben zurück!

    ENDE
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