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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan
Autoren: Strindbergs Stern
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waren es dieselben Leute. Na ja, Leute ... es hatte
sich bisher ausnahmslos um Männer gehandelt.
    Doch vor
ungefähr einem Monat hatte eine Gruppe Mädels damit begonnen, Fotos von ihren
Grubentauchgängen ins Netz zu stellen. Sie nannten sich Dykedivers. Keiner
schien zu wissen, woher sie kamen, oder wer sie eigentlich waren, und sie
selber antworteten nicht auf Fragen. Jedenfalls nicht auf die Fragen, die Erik
ihnen probeweise gemailt hatte.
    Als er
anfänglich auf der Website der Mädels herumgesurft war, hatte er nur
vereinzelte unscharfe Fotos gefunden. Doch dann hatten sie Filme über recht
professionelle Tauchgänge präsentiert, und gestern war plötzlich ein
Schnappschuss aus einem Bergwerk in Dalarna aufgetaucht.
    Das Bild
zeigte zwei Frauen in Taucheranzügen in einem engen Grubenstollen: blasse
Wangen, blutrote Münder, und beiden wallte ihr schwarz glänzendes Haar offen
über die Schultern herab. An die Wand hinter sich hatten sie mit blauer Farbe
gesprayt: »2. September, 166 Meter Tiefe«.
    Unter dem
Foto hatten die Mädels einige GPS-Koordinaten angegeben, die einem Ort in der
Nähe des Kupferbergwerks in Falun entsprachen. Die Position hatte nur wenige
Meilen von Erik Halls Sommerhaus entfernt gelegen:
     
    Überschwemmter
Schacht aus dem 18. Jahrhundert, den wir hier
fanden/kopparbergetl786.jpg/Karte, Blessing, Archiv des Verwaltungsbezirks
Falun. Hinter dem Schrott im Wasser erstreckt sich ein Gangsystem - für
denjenigen, der es schafft, daran vorbeizukommen.
     
    No
country for old men
     
    Die
automatisch einrastende Bremse zum Abseilen sorgte dafür, dass Erik sachte
abwärts in die Tiefe sank.
    Oben über
der Öffnung kreisten immer noch Schwärme von Fliegen, aber hier unten in der
Dunkelheit hing er allein. Er atmete inzwischen nur noch durch den Mund, um dem
Gestank nach Schwefel zu entgehen. Als er seinen Blick schweifen ließ, kam es
ihm vor, als gleite er in ein anderes Jahrhundert hinab. Durchgerostete
Befestigungen für Leitersprossen, halb eingestürzte Blindschächte, Spuren von
Hacken und Brecheisen am Fels. Er stieß sich von der Wand ab und schwang sich
an verbogenen Haken und rostigen Ketten vorbei. Im flackernden Schein seiner
Stirnlampe konnte er Zahlen erkennen, die Maße in Faden und Elle angaben.
    Wenn man
sich eigenhändig in eine Grube hinunterbegibt, darf man sich keinen Fehler
leisten. Aber das hier dürfte nicht allzu schwer werden, versuchte er sich
einzureden, lediglich ein lotrechtes Loch und ein paar glitschige
Stützvorrichtungen, die dem Druck des Berges schon seit Jahrhunderten
standhielten. Dennoch waren ältere Grubenlöcher niemals völlig sicher. Das, was
wie ein hauchdünner Riss aussah, konnte weit innen zum Bersten des Steins führen.
Und wenn die Wände zerbarsten, würde es bedeuten, dass einer der
Tausendkiloblöcke, die über ihm hingen, sich womöglich plötzlich löste und
herabstürzte.
    Wie weit
war es noch?
    Erik
zerbrach einen Leuchtstab und ließ ihn fallen. Die helle Fackel verschwand in
der Dunkelheit, doch dann hörte er ein Platschen, viel früher, als er zu
hoffen gewagt hatte. Ganz unten in der Tiefe leuchtete der auf dem schwarzen
Wasser schaukelnde Stab grünlich. Der Höhenmesser an seinem Handgelenk zeigte
an, dass Erik bereits über siebzig Meter zurückgelegt hatte, und die Kälte
hatte heftig zugenommen. An der Felswand vor ihm schimmerte Frost, und der
nächste Leuchtstab landete auf einer Eisscholle.
    Dann
entdeckte er unmittelbar oberhalb der Wasserkante ein kleines Plateau. Es lag
um die zehn Meter nach rechts versetzt, so dass er sich an groben Steinblöcken
entlangschwingen musste, um dorthin zu gelangen. Als er gelandet war, begann er
die Leine mit dem Sack einzuholen, von dem er wusste, dass er irgendwo da
draußen auf dem Wasser trieb. Es ging ungewohnt schwer, weil er sich zwischen
Inseln aus Eis verfangen hatte.
    Und nun
zum Wichtigsten.
    Er zog
eine kleine Dose mit roter Sprühfarbe aus der Hosentasche seines Trockenanzugs
und sprayte mit raschen Bewegungen ein großes E und H auf die Wand. Unter die
Buchstaben schrieb Erik Hall: »7. September, 91 Meter Tiefe«. Dann holte er
seine Unterwasserkamera heraus, hielt sie mit ausgestrecktem Arm vor sich und
knipste ein paar Fotos. Hinter den Konturen seines Kopfes war die Signatur auf
der Felswand deutlich zu erkennen.
    Doch dann
kam ihm der Gedanke, dass er wirklich gerne Kontakt zu diesen Mädels aufnehmen
würde. Er zog sich die Neoprenhaube vom Kopf und fuhr sich mit
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