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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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schoben sich gedankenlos von Stufe zu Stufe.
    Da kreischte hinten einer, krachte die Treppe herunter, das Geländer schwankte. Sie sahen sich vorne um. Ein schmächtiger rasender Mann drängte sich, einen Dolch schwingend, durch sie herauf, zischte. Sie wichen verblüfft seitlich. Oben schlug er Deveroux, der die Arme in den Hüften aufgestemmt sich über das Geländer bückte, mit den Fäusten und dem Dolchknauf ins Gesicht. Lief, wie der stöhnend den Kopf beiseite wandte, vor ihm in den Gang zur Kammer des Herzogs.
    Ein Kammerdiener stand da mit einer Kerze, der eben dem Herzog auf einer goldenen Platte eine Arzenei in Bier bringen wollte. An der Tür der Kammer schrie der leichenblasse Mensch mit dem Dolch – seine schmutzige Kappe fiel hinter ihn, die langen blonden Locken hingen ihm strähnig wild über die Augen – nach dem Oberst. Verzweifelt kreischte er: »Weg! Weg hier! Wo ist Butler!« Seine Stimme überschlug sich, er schwang schützend vor der antrampelnden Horde rechts und links seinen Dolch. Heulend, mit schnarrenden Zähnen bibbernd lag Slawata unten im engen Gang auf den Knien, streckte bettelnd den Arm nach ihnen aus. Sie hatten die Wämser zerrissen, die Stiefelschäfte herabgetreten, die Hosen von Wein und stürzenden Speisen und Fisch besudelt; die blutbeschmierten Gesichter streckten sich vor. Sein Mund öffnete sich weit, im Schuß stürzte Erbrochenes heraus. Er stöhnte: »Holt den Oberst. Geht eurer Wege.« Als sie über die Lache traten, tastete er sich hoch. Er wimmerte, raste in Haß und Entsetzen. Hinter ihm wurde die Tür geöffnet. Er stürzte nach rückwärts lang in die Kammer, von einem entsetzlichen Partisanenhieb quer über den Kopf zertrümmert.
    Dem Herzog, der im weißen Schlafhemd mit ausgespannten Armen neben Slawatas zuckendem Körper stand, riß die Partisane die halbe Brust auf.
    Die Worte: »Schelm, du mußt sterben!« tönten in der verwüsteten Schlafkammer noch von den Tosenden, als er schon längst ausgeblutet war. Butler trat mit Peitsche und Pistole unter sie und jagte sie aus dem Zimmer.
    Von der verschneiten Zitadelle wurden Knechte befohlen, die Friedlands Kanzlei besetzten. Sie ergriffen einige höfische Begleiter in den Betten. Der Astrolog Zenno wurde aus seiner Stube geführt; er war im Begriff, den Zeitpunkt einer neuen Aktion zu bestimmen; man zog ihm viertausend Kronen aus dem Beutel, die Friedland für Berechnungen vorausgezahlt hatte.
    In vorgerückter Nacht sprengte man die Tür zur Stallung eines Privatmanns. Die Kutsche wurde auf die Gasse gerollt. Soldaten spannten sich vor. Der tote Friedland war in den roten bluttriefenden Fußteppich seines Zimmers eingeschlagen. Holterpolter zerrten drei Mann ihn die Treppe herunter, zur Haustür heraus. Ließen ihn beim Mondenlicht rasseln über die Steine, den dünnen Schnee, die Frostschalen der Wassertümpel. Quer lag er im Wagen; der Teppich hing zu beiden Seiten heraus.
    Sie konnten an ihm tun, was sie wollten. Das war nicht mehr Wallenstein.
    Ein gurgelnder Blutstrom war aus dem klaffenden Loch an seiner Brust hervorgestoßen, wie von Dampf brodelnd. Mit ihm war er davon.
    Wieder eingeschlürft von den dunklen Gewalten. War schon aufgerichtet, gereinigt, getrocknet, gewärmt. Sie hielten ihn murmelnd, die starblinden Augen zuckend, an sich.

    GEGEN MORGEN wurde eine Treibjagd auf die Böhmen in der Stadt veranstaltet, mit den Kompagnien vor der Stadt an den Schanzen war ein regelrechter Kampf zu führen; zuletzt flohen sie und zerstreuten sich. Die Sieger fürchteten sich dann in der Stadt und glaubten, die Schweden oder Arnim rücke bald ein. Aber sie hatten die Freude, den Herzog von Lauenburg abzufangen, der glücklich von Regensburg kam, um dem Friedländer den baldigen Aufbruch Bernhards zu melden; des Lauenburgers Page entkam nach Regensburg. Sie hätten auch Arnim beinah abgefangen, der über Zwickau langsam und zweifelnd anmarschierte; das Mordgerücht kam zu ihm. Gelähmt von Ekel und Entsetzen blieb er liegen. Die flüchtigen Böhmen trugen die Nachricht ins Land hinein.
    Sie lief zugleich mit dem Gerücht herüber: Welsche, Italiener, dazu Irländer hätten den Mord verübt in ihrer alten Abneigung gegen die Deutschen. Es kam in dem noch schäumenden Lager von Prag unter Piccolominis Regimentern zu Revolten, Deutsche gingen gegen Welsche vor. Zwischen Offizieren begann es mit tödlichen Duellen, die Knechte lauerten sich in Fähnlein gegenseitig auf. Aldringens und bayrische Regimenter
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