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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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den Kopf: »Das war er. Ich hoffe, wir finden ihn noch, Eggenberg.« »Ich hoffe es nicht. Nein, laßt nur. Laßt ihn auch nur. Ihr müßt nicht nach ihm suchen, Pater. Was wollt Ihr denn von ihm. Was muß auf ihn gedrückt haben. Mir ist es noch im Sterben ein tröstlicher Gedanke, meinen gnädigen Herrn im Kloster zu wissen.«
    In diesen Tagen warf sich die Kaiserin Eleonore, die Mantuanerin, aus dem Fenster ihrer Schlafkammer in der Burg und zerschmetterte auf den Steinen des Hofes. Man hatte sie, nachdem sie durch einen Zufall von der Flucht Ferdinands erfahren hatte, wegen ihres tobsüchtigen Verhaltens einsperren und bewachen lassen. Ihre liebe Gräfin Kollonitsch hatte sich eine Stunde von ihr verleiten lassen, auf den Hof mit ihr hinauszuschauen; sie plauderten wie früher; scherzend band die hinterhältige Mantuanerin der freudigen Freundin einen blauen Schleier um den schwarzen Kopf, über die Augen, band ihn, als die Gräfin lachte, fest und gewaltsam im Nacken zu. Mit aller Ruhe rückte sie sich einen Sessel heran, während die Kollonitsch schreiend an dem Knoten arbeitete, stand händefaltend auf dem Fenster, ließ sich, laut Maria anrufend, vornüber auf das klagende Gesicht fallen.

    WÄHREND DER junge König Ferdinand mit dem Grafen Gallas das Heer reorganisierte und unter den Reichtümern, über die man verfügte, sich alles neu belebte, Truppen und Offiziere sich dem Grafen Gallas unterwarfen, Schweden und Sachsen abwartend zurückwichen, begann eine sehr diskrete Fühlungnahme des bayrischen Hofes mit Wien. Die Macht und der Einfluß Maximilians in Wien waren außerordentlich, die herrschenden Parteien des Hofes priesen ihn als das Rückgrat der katholischen Sache im Reich. Der Bayer hatte keine Kinder, er war Witwer. Er hielt dafür, sich noch einmal zu verheiraten; von Ferdinand war eine junge eben herangereifte Tochter da; der sehr gealterte Mann ließ sich nicht davon abbringen, die junge Maria Anna zu fordern.
    Im Innwinkel saß er bei seinen Truppen, da traf ihn die Nachricht von Wallensteins Verderben. Der Kaiser Ferdinand war verschwunden, der Schlemmer, der alberne heitere Mensch, wer weiß von wem verführt. Es war zuviel für Maximilian. Er geriet unter die knechtende Raserei seiner Gefühle; er wußte nicht, ob er weinen oder lachen sollte; keinen Schlaf fand er vor der Marter des Glücks, das seine Brust Hände mit Feuer umgab, über sein Gesicht flammte, seine Gedanken verdunkelte. Auf den Rat Contzens, vor den er sich hilflos völlig verändert und schutzsuchend warf, hungerte er einige Tage, begann eine wilde Geißelung. Seinen zwangartigen Drang, von sich wegzuschenken hinzugeben, durfte er durch Stiftungen an die heilige Kirche entladen. Gelegentlich stand er in völliger Verfinsterung und war gelähmt.
    Nun ging er eisig aus sich heraus, vorsichtig, langsam, Schritt für Schritt sein Inneres zudeckend, zurückdrückend. Er bewegte sich zu Handlungen, beschwichtigte sich. Küttner, der schöne zarte, verstand nicht, was der Kurfürst wollte, als ihm befohlen wurde, auf Wochen den Hof zu verlassen. Aber er ging. Richel suchte dem trauervollen bitter lachenden Kavalier das Herz zu erleichtern, indem er ihm eine neue Pariser Mission konstruierte. Aber trotz aller Zucht konnte Maximilian, nach München zurückgekehrt, es nicht verhindern, daß er einmal an der Drehbank, zwischen den subtilsten Elfenbeinarbeiten, sich dem lodernden Gedanken gegenübersah, Maria Anna, die junge schöne fromme Tochter des flüchtigen Kaisers aus seiner ersten Ehe, zu seiner Frau zu begehren. Jach wie aus dem Munde stürzte ihm der Gedanke; es war ein nicht zu beseitigendes Erlebnis. Er arbeitete, ging mit den alten Methoden an sich heran. Und dann war es ihm plötzlich zuviel. Keine Ruhe, keine Freude, kein Küttner; er ließ sich los; es durchsetzte ihn.
    Maximilian hatte das Gefühl des Verbrecherischen; er hatte das zitternde Gelüst, in ein schwarzes offenes Fenster einzusteigen oben am Dach, die Hand auszustrecken und zu rauben. Er hätte nie geglaubt, daß ein Verlangen so stark sein könnte wie dies: die junge Tochter des flüchtigen Ferdinand, Maria Anna, aus Wien zu holen. Es züngelte in ihm; es war unendlich labsam, hin und her werfend und dann wieder einschläfernd, gar keine Folter.
    Er entschloß sich, als Contzen nichts verbot, dem Gefühl nachzugeben; mit einer Wonne, die er nie gefühlt hatte, machte er sich zum Vollstrecker seines Gefühls.
    Es war die letzte Tat des verfallenden
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